: berliner szenen Müde ins Achtelfinale
Das tägliche Nada
Die Luft ist raus aus der WM. So stellt sich das an diesem Freitagmittag im Obst und Gemüse dar. Portugal gegen Südkorea heißt die an sich interessante Paarung, doch für Action sorgen während des Spiels nur die Getränkelieferanten. Vorne in den Keller das Bier, nach hinten der Wein, und dann gibt’s für die drei Männer ein Freigetränk an der Theke.
Während am Vortag der Laden voll war und sich in wahrlich engagierte Italien- und Mexiko-Fans geteilt hatte, ist an diesem Tag gar nichts los. Drinnen sitzen drei einsame Männer und drei nicht so einsame, draußen ein paar Mädchen zu zweit. Die Keeperin ist müde. Gestern hat sie sich zu sehr einen eingeschenkt beim Mina-Konzert im Ex-WMF. Immerhin ist sie interessiert. Sie wünscht den Getränkefahrern Glück für morgen und gratuliert dem türkischen Geschäftsmann zum Einzug ins Achtelfinale. Ihre Gäste jedoch geben keinen Mucks von sich – nicht als der 2:0-Zwischenstand USA – Polen eingeblendet wird, nicht bei der Roten Karte für João Pinto, nicht mal bei der zweiten roten Karte für die Portugiesen. Das Spiel ist schlecht.
Welche Müdigkeit sich hier auf wen überträgt, ist schwer zu sagen: die des Obst und Gemüse auf das Spiel? Oder die des Spiels auf das Obst und Gemüse? Sieht man mal von dem müden Wetter draußen ab, fühlt es sich hier an wie an einem Siestanachmittag in einem südländischen Dorf. Nix los, gar nichts. Unser täglich Nada gib uns heute. Wenigstens schwätzt eine zur Halbzeit gekommene Gruppe ein paar Worte. Die Frau in der Runde sagt, bei WMs interessiere sie sich immer für Fußball. Als die Südkoreaner doch noch ein Tor schießen, schauen sich alle müde an – so, so. Die Vorrunde ist vorbei. Gott sei Dank. Gut, dass es heute weitergeht! FRANCIS BERGMANN
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