ATOMWAFFEN SIND UNGEFÄHRLICH – WENN SIE US-VERBÜNDETEN GEHÖREN
: Gute Bomben, böse Bomben

Die Aufregung war also überflüssig: Die Regierenden in Indien und Pakistan, so weiß US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach seinem Besuch in diesen Ländern zu berichten, gehen mit Atomwaffen so um, „wie es Leute, die für Waffen dieser Kraft verantwortlich sind, tun sollten“. Da kann sich die Welt vor einem drohenden Atomkrieg in Südasien fürchten – aus Sicht der Bush-Regierung stellen die indischen und pakistanischen Atomwaffen kein Problem dar.

Die Sanktionen, verhängt gegen beide Länder nach den Atomwaffentests im Mai 1998, sind eh längst Geschichte. Pakistan und Indien sind für die USA derzeit als Verbündete unerlässlich, langfristige Ziele wie die Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen sind da zweitrangig. Das ist im Prinzip nichts Neues: Das Atomprogramm Pakistans konnte in den 80er-Jahren überhaupt erst so weit fortschreiten, weil die USA dieses Problem so lange ignorierten, wie das Land als Basis für die CIA-Unterstützung der antisowjetischen Warlords in Afghanistan gebraucht wurde. Diesmal wird nicht nur eine offensichtliche Aufrüstung ignoriert, diesmal bekommen die atomaren Arsenale Indiens und Pakistans sogar den Segen der USA. Und das zu einer Zeit, in der Präsident George W. Bush das Ziel des so genannten Anti-Terror-Krieges auf Staaten ausgedehnt hat, die Atom-, Chemie- oder Biowaffen besitzen – und den USA feindlich gesinnt sind. Auch die von Bush im Januar endeckte „Achse des Bösen“ umfasst Staaten, denen die USA unterstellen, sich Atomwaffen zu beschaffen. Das Horrorszenario eines drohenden Kernwaffeneinsatzes soll Bedenken gegen eine Ausweitung des Kriegs etwa auf den Irak beiseite räumen. Was ist schon ein kleiner Präventivschlag, so die US-Argumentation, gegen einen drohenden Atomkrieg.

Wenn Bush das nächste Mal um Zustimmung zu einer präventiven Invasion im Irak oder sonst wo wirbt, um damit ein Atomwaffenprogramm zu verhindern, sollten die angesprochenen Verbündeten die jüngsten Äußerungen Rumsfelds aus dem Archiv holen. Denn demnach sind die Waffen nicht mehr das Problem. Es soll nur noch darum gehen, wen die US-Regierung als „verantwortlich“ betrachtet und wen nicht. Mit anderen Worten: Wer nicht zu den potenziellen Zielen militärischer Invasionen der USA gehört, darf sie besitzen.

Wenn die US-Regierung die Gefahr von Atomwaffen in der Hand zweier im Krieg befindlicher Parteien verharmlost, wird sie sich lächerlich machen, wenn sie militärische Invasionen – etwa im Irak mit dem Hinweis auf die drohende atomare Bedrohung – legitimiert. ERIC CHAUVISTRÉ