Mit der Hilfskarre nach Hause

UNHCR begrüßt in Afghanistan den millionsten Rückkehrer aus den afghanischen Flüchtlingslagern im Ausland. Üppige Starthilfe soll den Neuanfang ermöglichen

PUL-I CHARKHI taz ■ Bevor afghanische Rückkehrer beim Rückweg aus Pakistan in die Heimat Kabul erreichen, stoppen ihre gemieteten Busse und Lastwagen in Pul-i Charkhi. Zehn Kilometer vor der Hauptstadt hat das UN-Flüchlingshilfswerk UNHCR eines von landesweit sieben Rückkehrzentren eingerichtet. Auf einem staubigen Platz stehen dutzende bunt bemalter pakistanischer Fahrzeuge. Bettgestelle, Fahrräder, Schränke, Bündel, Teppiche und Balken stapeln sich auf den Dächern der Fahrzeuge. Mit einem Familienfoto und Formularen betreten die Rückkehrer das umzäunte Areal.

Zuerst geht es in ein großes weißes Zelt. Darin klärt eine Minenräumorganisation über Gefahren auf: Mit roten Steinen ist ein Minenfeld markiert, voll Holzattrappen diverser Minentypen und Blindgänger. Doch die erschöpften Flüchtlinge wollen davon nichts wissen. Hastig gehen sie vorbei, nur wenige nehmen Flugblätter mit. Eine Frau schaut lieber nicht hin, ein Mann gibt vor, Bescheid zu wissen.

Im nächsten Zelt werden Kinder unter fünf Jahren gewogen und vermessen. 15 Prozent von ihnen sind mangelernährt, zwei Prozent schwer, erklärt ein Mitarbeiter. Die Eltern erhalten Tipps für die Versorgung ihrer Kinder, schwere Fälle werden an Krankenhäuser verwiesen. Flugblätter fordern Eltern auf, die Kinder zur Schule zu schicken. Lautes Kindergeschrei dringt aus dem Nachbarzelt. Dort werden die Kinder gegen Masern und Polio geimpft.

Die Formulare werden erneut geprüft, bevor jeder Flüchtling 20 US-Dollar in bar erhält. Dann gibt es pro Famile eine Schubkarre voller Hilfsgüter: Einen 50-Kilo-Sack Weizen mit US-Fahne drauf, zwei Decken, zwei Planen, zwei Stoffbahnen, einen Blecheimer, 10 Stück Seife und einen Kanister. Gesamtwert 200 Dollar. „Ich kann die Sachen gut gebrauchen, auch wenn der Weizen höchstens für drei Wochen reicht“, sagt Achmad Schah.

Der 34-Jährige floh vor fünf Jahren in den Iran. Jetzt kam er mit seiner inzwischen auf fünf Köpfe angewachsenen Familie aus Teheran über Pakistan zurück und holt sich hier Hilfe für den Neubeginn.

„Von meinem Haus blieb nichts übrig. Wir sind erst mal bei meinen Schwestern untergekommen“, sagt Schah. Er hofft, seinen früheren Job im Wiederaufbauministerium zurückzubekommen. „Ich habe große Hoffnung. Mit internationaler Hilfe muss der Frieden gesichert und eine Regierung auf breiter Grundlage gebildet werden. Die Friedenstruppe soll ruhig zwanzig Jahre bleiben.“

Gestern zählte das UNHCR den millionsten afghanischen Rückkehrer seit Beginn des Unterstützungsprogramms am 1. März. Das sind täglich über 10.000 Menschen. 475.000 passierten das Zentrum Pul-i Charkhi. „Die Flüchtlinge kommen spontan. Wir ermuntern sie nicht und helfen ihnen nicht bei der Rückkehr. Wir unterstützen sie erst, wenn sie hier sind“, sagt Filippo Grandi, UNHCR-Leiter in Afghanistan.

Weitere 200.000 seien seit Dezember auf eigene Faust zurückgekehrt. Zusätzlich half das UNHCR bei der Wiederansiedlung von 165.000 Binnenflüchtlingen, eine weitere halbe Million davon kehrte selbstständig zurück. Laut UNHCR gab es im vergangenen November fünf Millionen afghanische Flüchtlinge im Ausland und 1,3 Millionen innerhalb des Landes. 90 Prozent der bisher Zurückgekehrten kamen aus Pakistan. Dazu beigetragen hat laut UNHCR die Angst vor einem Krieg zwischen Indien und Pakistan. Die Hälfte aller Rückkehrer zog es nach Kabul und Umgebung. Die Hauptstadt gilt wegen der internationalen Friedenstruppe als relativ sicher. Überproportional kehrten Tadschiken zurück, während Paschtunen kaum in den Norden des Landes gehen, wo es Berichte über Schikanen gab.

„Die vielen Rückkehrer sind ein Vertrauensbeweis in die Zukunft Afghanistans“, sagt Grandi. Doch das bescherte seiner Organisation ein großes Problem. Das UNHCR ging für dieses Jahr von ursprünglich 800.000 Rückkehrern aus. Diese Zahl war schon nach fünfzehn Wochen erreicht. Deshalb droht jetzt dem UNHCR das Geld für die Flüchtlinge auszugehen. Von den benötigten 271 Millionen Dollar wurden dem UNHCR ohnehin erst 186 Millionen zugesagt. Schon jetzt erhalten die Flüchtlinge nur noch 50 statt der ursprünglich verteilten 150 Kilogramm Weizen. Benötigt würden aber auch Materialien zum Hausbau, für Schulen und Krankenstationen. SVEN HANSEN