Stimmung bei Milli Görüs gedämpft

Islamistengemeinde lud nach Arnheim zum „Tag der Brüderlichkeit und Solidarität“, doch der blieb schwach besucht. Vorsitzender: Medien und Politiker wie der bayerische Innenminister Beckstein schüren „Klima der Angst“

ARNHEIM taz ■ Zum „Tag der Brüderlichkeit und Solidarität“ hatte die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) am Samstag geladen. Doch statt der angekündigten 30.000 fanden nur maximal 20.000 Muslime den Weg in den Gelredome in Arnheim (Niederlande), um, so die Veranstalter, „Brüderlichkeit und Solidarität der in Europa lebenden Muslime mit allen Muslimen in der Welt zum Ausdruck zu bringen“.

„Seit dem 11. September hat sich die Situation der Muslime in Europa dramatisch verschlechtert“, bilanzierte der IGMG-Vorsitzende Mehmet Sabri Erbakan in seiner Grußbotschaft. In einigen europäischen Staaten seien von der Verfassung garantierte Grundrechte wie Religionsfreiheit und Menschenrechte für Muslime kaum noch gültig. Hinzu kämen Anschläge auf Moscheegemeinden und Übergriffe auf Frauen mit Kopftuch. Für seine Klagereden erhielt Erbakan nur gedämpften Applaus: Die größte nichtstaatliche türkische Moscheegemeinschaft hielt sich auffällig zurück.

Es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass sich die türkischstämmigen Islamisten der IGMG und ihr Führer Necmettin Erbakan, Onkel des Mehmet Sabri Erbakan und Kult-Führerfigur der IGMG, zu einer überregionalen öffentlichen Veranstaltung trafen. Das kulturelle Rahmenprogramm wurde radikal eingekürzt. Die Planer verzichteten auf den Einmarsch der mit Kettenhemden und Schwertern bewaffneten osmanischen Janischarenkrieger.

Dass weit weniger Erbakan-Anhänger als gedacht gekommen waren, schrieb Mehmet Sabri Erbakan dem „Klima der Angst“ unter den europäischen Muslimen zu. Verantwortlich seien dafür „in erster Linie die Medien mit ihrer islamfeindlichen Berichterstattung“. Doch auch Politiker trügen Schuld an der Einschüchterung der Muslime: So mache sich der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) für ein Verbot der IGMG stark. „Wir haben 80 Moscheen in Bayern. Wir rufen Beckstein zum Dialog auf. Sonst müsste er eines Tages die Verantwortung dafür übernehmen, wenn jemand, ähnlich wie in Erfurt, auf die Idee kommt, bewaffnet in eine unserer Moschee zu gehen.“ Erstmals wurde hier der Applaus lauter.

Erst gegen Ende der Veranstaltung sprach Necmettin Erbakan. Eine kleine Geste des 73-jährigen Hodscha aus der Türkei genügte, um die Stimmung im Saal zum Kochen zu bringen. Es zeigte sich, dass die alte dogmatische Feindbilder von einer „islamfeindlichen Nato“ und der „Opferrolle der Muslime nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion“ geblieben sind, genauso wie sein Urteil über die IGMG-Mitglieder: „Ihr lebt zwar in Europa, aber im Herzen seid ihr Türken geblieben.“ AHMET SENYURT