Deutsche mit Brasilien hinten

Pisa I(nternational) zeigte deutlich: Die Nation der Dichter und Denker scheitert schon in der Qualifikation für die Leseweltmeisterschaft. Grund: Funktionaler Analphabetismus

Pisa International war keine Klausur und keine Ex, auf die sich die Schüler hätten vorbereiten können. Es wurde nämlich nicht Wissen aus den Lehrplänen der 32 Teilnehmerstaaten abgefragt. Das wäre unmöglich – zu unterschiedlich sind die Curricula zwischen Brasilien und Finnland, zwischen Japan und den USA.

Der aufwändige Schülervergleichstest hat „Wissen und Fähigkeiten für das Leben“ zum Inhalt. 180.000 Schüler im Alter von 15 Jahren bekamen weltweit Texte vorgelegt, die sie lesen, verstehen, interpretieren und diskutieren mussten. Zum Beispiel die berühmte Graffiti-Aufgabe, bei der es darum ging, für sich abzuwägen, ob das Sprühen von Tags an Hauswände okay ist oder nicht.

Im Mittelpunkt der Aufgaben steht die so genannte reading literacy, die Lesekompetenz. Eher beiläufig fließen Fragestellungen aus der Mathematik und Wissenschaft mit ein. Pisa 2000, den die OECD im Dezember vergangenen Jahres veröffentlichte, ist der erste von drei Tests: Pisa 2003 und 2005 werden sich auf Mathe und Naturwissenschaft konzentrieren.

Am besten schnitten bei Pisa Finnland, Korea und Kanada ab. Dort erreichten 50 Prozent, 37 Prozent bzw. 45 Prozent der SchülerInnen mindestens die vierte von fünf Kompetenzstufen. Diese Staaten zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie extrem wenige Schüler haben, die mit den Texten nichts anfangen können. Zwischen 6 und 9 Prozent auf Kompetenzstufe eins – oder gar darunter („Funktionale Analphabten“). Das sind die Kategorien, bei denen die deutschen 15-Jährigen reüssierten: 23 Prozent gehörten zu den Nicht- oder Wenigverstehern. Die Deutschen finden sich damit in einer Liga mit Mexiko und Brasilien.

Das Geheimnis von guten Schülern und Schulen ist noch nicht gelöst – zu unterschiedlich sind die kulturellen Hintergründe bei den Pisa-Siegern. Gleich sind bei ihnen folgende Indikatoren: integrative Schulsysteme (Gesamtschulen), klare und anspruchsvolle Bildungsstandards sowie guter Unterricht.

Die Gesamtschulen unterscheiden sich übrigens gravierend von denen hierzulande – es wird im Unterricht keine Trennung nach Leistung vorgenommen. Das heißt: Gute Schüler helfen schlechten, die Lehrer müssen sich bemühen, einen „individualisierenden Unterricht“ zu praktizieren – wechselnde Arbeitsgruppen innerhalb einer Klasse. Bildungsforscher sind nach Pisa zu der Erkenntnis gekommen: Die Gesamtschulen der Siegerländer zwingen zu gutem Unterricht – und haben so einen Modernisierungsschub gebracht. In den deutschen Gesamtschulen hingegen gilt der Grundsatz der deutschen Schule allgemein: Auslese statt Förderung. CIF