Von Becker with Love

Lasst uns zurück ins Bett gehen, Jungs und Mädchen! Bei Sarah Connors Auftritt in der Columbiahalle roch es nicht wirklich frisch nach Delmenhorster Provinz

„Delmenhorst stinkt“ meinten einmal zwei Tramper, die wir nach Bremen mitnahmen. Da gab es noch die berühmten Delmenhorster Linoleum Werke. Ansonsten beeindruckt die Kleinstadt bundesweit durch die sympathisch uncoole Modemarke delmod und durch eine hohe Kriminalitätsrate.

Seit etwa einem Jahr aber macht Delmenhorst Schlagzeilen mit der singenden Schönheitskönigin Sarah Connor. Der Höhepunkt war ihr Auftritt in „Wetten, dass…?“. Danach forschte Bild tagelang, ob die „scharfe Soulröhre“ einen Slip unter ihrem transparenten Kleidchen angehabt hatte. Dann gab es da noch eine recht freizügige Fotostrecke in Max. Gute Stimmen lassen sich schwer sexy abbilden.

Ob die gerade 22-jährige Connor das typische One-Hit-Wonder sein wird, muss man sehen. Jedenfalls arbeitet sie hartnäckig an ihrem Image. Dazu gehört die Behauptung, sie habe jahrelang Demo-CDs verschickt und es aus eigener Kraft geschafft. Sie macht auf bodenständig, fährt einen alten Fiat Punto, hat nur einen Exfreund und wohnt noch bei den Eltern. Stolz aber ist sie, von Wyclef angerufen worden zu sein. Auf ihrem Konzert in der Columbiahalle erzählt sie dann gern von anderen wichtigen Männern in ihrem Leben. Michael Jackson habe sie 1997 mal in Bremen auf die Bühne geholt und singen lassen. Jetzt bedankt sie sich mit dem Tragen eines Jackson-Shirts und einem Coversong. Auch wichtig war ihr Papi, habe der doch nach der Maloche für die achtköpfige Familie immer gern Platten von Aretha Franklin, Chaka Khan oder Marvin Gaye gehört. Deren Songs fasst sie nun zu einem Potpourri zusammen. „Lass uns zurück ins Bett gehen“, kündigt sie ihren Hit „Let’s get back to bed boy“ an. Den können die Kinder auf den Schultern ihrer Eltern mitsingen.

Etwa ein Fünftel des Publikums sind Mädchen zwischen acht und dreizehn. Die hocken gern auf den Schultern ihrer Eltern, recken die Arme im Takt oder halten Fotos der Delmenhorsterin in die Luft. Connor hat sich TänzerInnen engagiert, mit denen sie auf der Bühne rumturnt. Das sieht oft unbeholfen nach Klassenfete aus. Den Vamp bekommt Connor live nicht so überzeugend hin wie auf Fotos. Sie wirkt, als müsste sie in den zahlreichen Umziehpausen, nach denen sie immer andere BHs mit immer anderen Hosen kombiniert, über ihre eigene Show lachen. Was erotisch rüberkommen soll, wirkt verkrampft.

Ein hübscher Junge wird aus dem Publikum auf die Bühne geholt, auf einen Stuhl gefesselt und von Connor und ihren Freundinnen mit Erdbeeren gefüttert. Als Zugabe gibt’s den tollen, kitschigen Ohrwurm „From Sarah with Love“. Schön, Delmenhorst einmal direkt vor der Haustür erlebt zu haben.

ANDREAS BECKER