HALBWAHRHEITEN UND GERÜCHTE ENTWERTEN DEN PISA-SCHULVERGLEICH
: Ranking in seiner dümmsten Form

Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Vergangenen Samstagmorgen, die Nation wollte eigentlich Fußball gucken, wurden frei Haus die ersten „Ergebnisse“ der Schul-Studie Pisa geliefert. Bayern vorn, Bremen hinten – so lautete die Kurzbewertung des ersten systematischen Schulvergleichs in der Bundesrepublik. Seitdem darf die Öffentlichkeit wild über die Bedingungen für guten Unterricht spekulieren. Die Leidtragenden dieser Kakophonie sind aber genau jene, die von Pisa hätten profitieren sollen: die Schule und die Lernkultur.

Schuld an der Malaise sind allein die Kultusminister. Sie könnten alle Pisa-Ergebnisse schnell auf den Tisch legen – und so den Gerüchten, Verkürzungen und Halbwahrheiten den Boden entziehen. Davor scheuen sie sich – und stellen den Sinn des ganzen Tests infrage. Nicht zufällig wurde um einen bundesweiten Vergleich lange gerungen. Denn gegen seinen Vorteil, in einem Land mit vielen verschiedenen Bildungssystemen etwas über die Ursachen gelingenden Lernens herauszufinden, war stets ein Nachteil abzuwägen: dass die Öffentlichkeit sich gierig nur auf die Rangfolge stürzen würde – und so den Vergleich entwerten könnte. Die Kultusminister haben stets damit beruhigt, dass niemand ein Interesse daran habe, eine eindimensionale Tabelle von 16 Bundesländern aufzustellen. Nun lässt auch jemand wie Hans Zehetmair, einer der Väter des Pisa-Vergleichs, zu, dass ein Ranking in seiner dümmsten Form die Menschen verblödet: oben die Union, unten die SPD.

Warum sind Bayerns Schulen toll? Wieso versagen die an Rhein und Ruhr? Die Antwort auf diese ziemlich komplexen Fragen wird zwangsläufig auf das zurückgeworfen, was jeder von uns schon immer zu wissen glaubte. Ohne Erkenntnisse über die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft oder die von den getesteten Schülern genannten Gründe für Lernspaß und -frust bleibt die Interpretation allzu simpel. Es gibt bereits die Ersten, die den Lehrern wieder den Rohrstock in die Hand drücken wollen. Für so einen Stuss hätten nicht hoch ausgerüstete Forscher über den Daten von 50.000 Schülern brüten müssen. CHRISTIAN FÜLLER