Sammlerleidenschaft

Das Pitt River’s Museum in Oxford steht nicht nur für wunderliche Dinge, sondern auch fürskurrile Erklärungen. Eine ungewöhnliche Sammlung von Waffen bis Geisterinschriften

Er beschied:„Das ist Darwins Evolutionstheoriefür Schusswaffen“

von MITHU SANYAL
und RALF SOTSCHECK

Colonel Augustus Lane-Fox Pitt River fing in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts an, Waffen zu sammeln. Er wollte von jeder Schusswaffe ein Exemplar erstehen. Nach 20 Jahren hatte er zwar eine beachtliche Waffensammlung beisammen, musste sich aber eingestehen, dass sein Vorhaben unmöglich war. Das machte ihm nichts, er setzte sich ein neues Ziel. Da jedes Gewehr und jede Pistole auf eigene Art konstruiert und zu reparieren war, entschied er: „Das ist Darwins Evolutionstheorie für Schusswaffen.“ Das müsste auch für andere Dinge funktionieren, dachte er sich. Er begann, alle möglichen Gegenstände zu sammeln, um ihre Entstehungsgeschichte nachzuzeichnen.

So entstand das Pitt River’s Museum in Oxford, in dem es neben Waffen jede denkbare Form von Schlüsseln gibt, von Schlössern oder von Spiegeln, die eins gemeinsam haben: Sie sind alle blind. Um zu beweisen, dass es sich tatsächlich um Spiegel handelt, gibt es in einem anderen Raum eine Kollektion von Selbstporträts, die Frederick Farnson –die Art von Exzentriker, die man in England sammelt – über Jahre hinweg mit Hilfe der Spiegel des Pitt River’s Museums gezeichnet hat. Farnson vertrat die Theorie, dass man in einem Spiegel aus England anders aussieht als in einem Spiegel aus Malaysia oder Yucatan.

Die Museumsleitung hat auch die merkwürdigen Aufzeichnungen eines ihrer Vorgänger ausgestellt. Ende des 19. Jahrhunderts bestand das Büro des Museumsdirektors aus einem kleinen Schreibtisch, der genau unter der Sammlung von vergifteten Pfeilen und Speeren stand. Eines Nachts, als er länger arbeitete, langte der Direktor über sich und verletzte sich an einer der Speerspitzen. Er wusste, dass es für das Gift in England kein Gegenmittel gab. Was sollte er tun? Da er Archivar war, beschloss er, die letzten Stunden seines Lebens zu dokumentieren. So gibt es im Pitt River’s Museum nun diese Sammlung von Bögen, auf denen er die Uhrzeit und seine Körpertemperatur verzeichnet hat, das Maß an Übelkeit, das er empfand, während sich das Gift durch seinen Organismus arbeitete, das Zittern seiner Hände. Nach anderthalb Stunden notierte er: „Kein Fieber. Es geht mir ganz gut. Vielleicht war das Gift doch nicht so stark.“ Dann ging er nach Hause.

Irgendwann stellten die Kuratoren des Museums fest, dass sie alles gesammelt hatten, das man sammeln konnte, bis einer von ihnen sagte, man habe noch nicht alle Arten von Botschaften gesammelt. Schon konnte man einen neuen Raum füllen mit markierten Stöcken, Tonfiguren mit versteckten Nachrichten und einer Nische mit Geisterbotschaften: Dokumente aus einem Spukhaus, darunter Fotos von einer Wand, auf der ein armer Geist irgendeine Melanie um Hilfe bittet. Der Rest ist unleserlich. Die Psi-Forscher fragten den Geist: „Ich kann deine Nachricht nicht lesen. Kannst du sie noch einmal schreiben?“ Der Geist antwortete mit unleserlichem Gekrakel. Die Forscher baten ihn erneut, es noch einmal zu versuchen. Es kam wieder nur Gekritzel. Da der Geist lediglich eine Zeile pro Nacht schrieb, dauerte die Kommunikation recht lange, bis der Geist entnervt aufgab.

Pitt River’s Museum, University of Oxford, South Parks Road, Oxford OX1 3PP, Tel. (0 18 65) 27 09 27. Geöffnet Mo –Sa 13 – 16.30, So 14 – 16.30 Uhr. Eintritt frei. www.prm.ox.ac.uk