Wahlsieg mit Stimmzetteln im Müll

Selbst die CSU sorgt sich um den Wahlfälschungsskandal in Dachau. Doch OB Peter Bürgel will im Amt bleiben

Jetzt wird Peter Bürgel endgültig zum Buhmann. Der Dachauer CSU-Oberbürgermeister will die Annullierung seiner Wahl gerichtlich verhindern. Doch eine Klage käme einem Amoklauf gegen die Demokratie gleich.

Denn hier geht es um den wohl größten Wahlbetrug der Bundesrepublik. Polizei und Staatsanwaltschaft haben eine fast 20-köpfige Sonderkommission gebildet – so groß wie sonst nur bei Kapitalverbrechen, wie die CSU-Zeitung Bayernkurier schrieb. Knapp 600 Personen sollen vernommen werden. „Wir ermitteln weiter gegen sechs Beschuldigte“, erklärte die Staatsanwaltschaft München. Dazu gehören auch die CSU-Stadträte Wolfgang Aechtner und Georgios Trifinopoulos. Beide saßen tagelang wegen Verdunkelungs- beziehungsweise Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Mindestens 700 Stimmzettel wurden bei der Kommunalwahl am 3. März zu Gunsten der CSU gefälscht.

Ein städtischer Mitarbeiter rettete 404 Stimmzettel der OB-Stichwahl vom 17. März am Bauhof aus dem Müll. Irgendjemand wollte sie vernichten, wohl damit sie nicht überprüft werden können. Laut Gesetz müssen sie jahrelang versiegelt aufbewahrt werden, damit im Falle einer Anfechtung eine Nachzählung möglich ist. Vor zwei Wochen erklärten das Dachauer Landratsamt und die Regierung von Oberbayern die Stadtrats- und Kreistagswahl für ungültig.

Der CSU-Landrat Hansjörg Christmann stellte sich jedoch gegen eine Wiederholung der OB-Wahl. Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein setzte die am Donnerstag mit durch, wie einer seiner Sprecher bestätigte. „Der Minister ist für demokratische, ordnungsgemäße Wahlverfahren.“ Die Regierung von Oberbayern kündigte an, die OB-Stichwahl vom 17. März für ungültig zu erklären. Damals zählte man 73 Stimmen mehr für Bürgel als für Kurt Piller, den parteilosen Amtsinhaber. Gegen den Widerstand des alten Stadtrats setzte das Landratsamt die Vereidigung Bürgels durch. Ausgerechnet Wahlfälscher Aechtner führte den CSU-OB als ältester Stadtrat in sein Amt ein.

Bürgel kritisiert die Annullierung als „politische Entscheidung“. Die Stichwahl sei nach wie vor ok. „Man muss eine klar rechtliche Entscheidung treffen. Darauf haben die Wähler auch Anspruch.“ CSU-Generalsekretär Thomas Goppel fürchtet allerdings um das Ansehen der Partei. Er hofft, dass der Noch-OB klein beigibt. „Bürgel steht nun vor der schwierigen Entscheidung zwischen politischer Klugheit und dem Wunsch nach dem Nachweis seiner persönlichen Seriosität und Integrität“, sagte Goppel der taz. „Wenn Zweifel an der Legitimation der OB-Wahl bestehen und sich auch bestätigen, dann sind wir es den Bürgern schuldig, neu zu wählen.“ Persönlich habe Bürgel mit der Manipulation aber nichts zu tun.

Ex-OB Piller wirft seinem Nachfolger dagegen „uneinsichtiges Verhalten“ vor. In Dachau habe sich innerhalb der CSU nur die Junge Union für eine Aufklärung des Wahlskandals stark gemacht. „Nun hat die Demokartie gesiegt“, freute sich Piller: „Ich stehe für eine Nachwahl zur Verfügung.“ Die CSU-Ortsvorsitzende trat bereits entnervt zurück.

Das Rathaus und den eigenen Pressesprecher meidet Bürgel zur Zeit. „Wir haben ihn 15 Mal angerufen. Er ist nicht zu erreichen“, sagte ein Stadtsprecher. Im Rathaus ärgerten sich alle über den Wahlbetrug und seien „peinlich berührt“. OLIVER HINZ