Krawalle, Killer, Nackedeis

50 Jahre Bild, fast 27 Jahre Bild Bremen. Die Regionalausgabe ist nicht gerade für investigativen Journalismus bekannt. Trotzdem ist hier der Leser König

Trotz tendenzieller Seichte ist die Bild „wichtig für Bremen“ (O-Ton Scherf)

Helga Trüpel von den Grünen lobt, dass sie „immer wieder kritisch über die Regierungspolitik in unserer Stadt berichtet“, Innensenator Kuno Böse (CDU) findet sogar „manche Schlagzeile daneben“ – und ausgerechnet Bürgermeister Henning Scherf (SPD) macht seinem Unwohlsein wirklich Luft: Im Editorial zur „großen Sonderbeilage“ der Bremer Bild lobt er Weniges, um dann zu sagen: „Übrigens, liebe Bild-Macher: Manchmal ist eine Angelegenheit wirklich zu kompliziert, um sie in einem schlichten Satz zu erklären.“

Die Mutter aller Zeitungen wird 50, das Redaktionstöchterchen in Bremen ist immerhin fast 27 – Glückwunsch auch von der taz bremen (mädchenhaftes Alter: 16). Übrigens: Die für heute geplante Reportage aus der Großraumredaktion in der Bremer Knochenhauerstraße wurde von der Springer-Zentrale in Hamburg VERBOTEN!

Aber nix für ungut. Die Bremer tazzen pflegen einen kollegialen Umgang mit den Leuten der Bild-Lokalausgabe – das geht bis zum Austausch von Fotos. Die Weser-Ausgabe der größten Zeitung des Universums ist zwar nicht gerade für investigativen Journalismus und „Scoops“ bekannt, wäscht aber im Vergleich zu anderen Redaktionen des Blatts nicht zu viel schmutzige Wäsche. Ja, auch die Bild Bremen rüpelt gegen Ausländer. Aber sie ist konzilianter, unpolitischer als das Hauptblatt –vor allem, seitdem Kai Diekmann Udo Röbel als Chefredakteur in Hamburg ablöste. Der Grund ist klar: Die hiesigen Springer-Leute würden sich mit rechts-konservativen Schlagzeilen im strukturellen SPD-Land viele Leser vergraulen. Und genau das ist das Erfolgsrezept des Blattes: Hier ist der Leser König. Vielleicht legt sich deshalb in der Bürgerschaft gut die halbe CDU-Fraktion am liebsten das Blatt mit dem Mädchen auf der Eins aufs Pult.

Trotz tendenzieller Seichte (Freitag-Aufmacher: „Ist Radio Bremen pleite?“, daneben der Pennäler-Schocker „So schön war unser erstes Schuljahr“) ist die Bild „wichtig für Bremen“ (O-Ton Scherf).

Die Gründe: Dahinter steckt der Springer-Verlag, der sonst nur noch mit der schwächelnden Welt in der Stadt vertreten ist – und natürlich die Auflage. 120.000 Exemplare der Regionalausgabe gehen zwischen Cuxhaven, Verden, Oldenburg und Diepholz täglich über den Tresen. Damit ist sie unangefochten die Nummer Zwei der Kaufzeitungen in der Region. Fünf RedakteurInnen, zwei Fotografen, zwei Volontäre und viele Freie erstellen täglich ein bis drei Seiten, die prominent ab der Seite 3 des Mantelblattes plaziert sind; meist gibt es auch einen Anreißer auf der Eins.

Die Krawalle bei der Rekrutenvereidigung im Weserstadion 1980, der Auftritt der Entführer-Killer Rösner und Degowski in Bremen 1988, Werders Sieg im Europapokal 1992 oder zuletzt die Geschichte des „Bremer Taliban“ – Großeinsätze der Redaktion in den letzten Jahren. Auch viele andere gute Geschichten waren dabei.

Und dennoch stand die Bremer Ausgabe der Bild wahrscheinlich schon oft auf der Streichliste der Springer-Strategen – derzeit baut der Verlag ein Zehntel seiner 14.000 Mitarbeiter ab. Die Auflage ist verglichen mit der der anderen rund 20 Lokal- und Regionalausgaben gering. Aber das wäre schade: Noch ein Stück Bremer Pressevielfalt ginge verloren – und was soll der ein oder andere CDUler dann noch in der Bürgerschaft tun?

ksc