berliner szenen Hochzeitsgeschenke

Ein Pferd aus dem Döner

Es gibt eine Imbissbude an der Torstraße, in der immer ein freundlicher, leicht jungenhafter Türke Nachtschicht macht. Ob Szenevolk oder Alkoholiker – er ist gleich bleibend liebenswert zu wem auch immer. Einmal stand ich bei ihm und schlürfte an einer Cola, die mich ernüchtern sollte. Er wartete wie gewohnt in seiner Bude auf den Nächsten, dem das Bier Hunger gemacht hatte.

Plötzlich kam ein Afroamerikaner auf einem Fahrrad herangeradelt, beugte sich in die Bude und fragte: „Do you’ve got horses?“ Der junge Türke sah mich an. Ich übersetzte: „Ich glaube, er will ein Pferd.“ Er schüttelte den Kopf. „Maybe a cow?“ Wieder musste ich übersetzen, wieder nur ein Kopfschütteln. Dann fragte der Mann nach Ziegen, Schweinen und Schafen – keine Chance. Der Mann wandte sich mir zu: ob ich Rat wisse. Da ich verwirrt war und meinte, meinem Lieblingsgyrosverkäufer helfen zu müssen, versuchte ich ihm klar zu machen, dass auf dem Markt im Pankow alles zu haben sei, was er brauche. Der Mann zögerte nicht und radelte hinfort, wenngleich in die falsche Richtung. Es war ungefähr halb drei in der Frühe. Doch kaum dass ich darüber nachdachte, ob er vielleicht tatsächlich in Pankow so was kriegen könne, hörte man ihn in der Ferne scharf bremsen. Er kam zurück. „A beer“, sagte er und ich musste nicht übersetzen. Der junge Türke reichte das Bier, der Mann riss dankbar die Dose auf. Warum er denn mitten in der Nacht ein Vieh brauche, fragte ich ihn. Er wollte heiraten, sagte er prompt. Und ohne was in den Händen wolle er nicht ankommen. „Flowers?“, fragte ich vorsichtig. „Well, that’s a good idea!“ rief er aus und stieß mit mir an. Der junge Türke lächelte mild.

JÖRG SUNDERMEIER