: Die Stimme Asiens ist müde
Der malaysische Ministerpräsident Mahathir Mohamad will im Oktober kommenden Jahres zurücktreten
Stärke, Beständigkeit und Machtbewusstsein sind seine Markenzeichen. Umso überraschender nun die Nachrichten. Nachdem er bereits voriges Wochenende seine Anhänger mit seiner Rücktrittserklärung überrascht und schockiert hatte, ist seit Dienstagabend klar: Nach mehr als 21 Jahren an der Spitze der Regierung wird Malaysias Ministerpräsident Mahathir Mohamad im Oktober nächsten Jahres seinen Abschied nehmen. Nachfolger soll sein Stellvertreter Abdullah Ahmad Bawadi werden.
Schon das Wochenende war voller Turbulenzen, als der Regierungschef verkündete: „Ich möchte meinen Rücktritt von allen Ämtern erklären.“ Er habe sich entschieden, es sei eine lange Zeit gewesen, antwortete er den fassungslosen Teilnehmern. Doch diese drängten Mahathir, seine Äußerungen zurückzunehmen – den „Rücktritt vom Rücktritt“ verkündete wenig später Bawadi auf einer Pressekonferenz.
Mit Mahathir hatte das Land immer eine besondere Position in Südostasien. Seine politische Karriere hatte 1946 begonnen. Im Alter von 21 Jahren trat der gläubige Muslim der neu gegründeten United Malays National Organisation (Umno) bei. Er studierte Medizin und praktizierte sieben Jahre lang als praktischer Arzt. „Dr. M.“, wie er auch genannt wird, wurde 1964 schließlich Parlamentsabgeordneter der Umno.
Fünf Jahre später aber wurde er ausgeschlossen, nachdem er den damaligen Premier, Tunku Abdul Rahman, in einem offenen Brief kritisiert hatte. In jener Zeit schrieb er auch sein Buch „The Malay Dilemma“. Darin dokumentierte er, wie die Malaien während der Kolonialära an den Rand gedrängt und zu Menschen zweiter Klasse degradiert worden waren.
Mit den politischen Ansichten Mahathirs konnte sich damals vor allem junge Umno-Mitglieder identifizieren; Mahathir wurde gebeten, der Partei wieder beizutreten. 1974 wurde er wiedergewählt, im Jahr 1981 schließlich Regierungschef.
Seine politischen Ideen setzte er in die Tat um: Unter seiner Führung entwickelte sich Malaysia zu einem der asiatischen „Tiger“ mit Schwerpunkten in der Automobilindustrie und der Produktion von Elektrozubehör. Bis zum Jahr 2020 – so die Vision Mahathirs – soll Malaysia der High-Tech-Standort in Südostasien schlechthin sein.
Auch nach außen hin galt Mahathir stets als der starke Mann Malaysias und als die „Stimme Asiens“. Kurz nach Ausbruch der Asienkrise Anfang Juli 1997 hatte der heute 76-Jährige die Manipulationen durch internationale Währungsspekulanten scharf verurteilt, ebenso wie die Unfähigkeit des Westens, internationale Finanzströme zu kontrollieren. Darin sah Mahathir die Hauptursache für die asiatische Krise. Er war, im Gegensatz zu manchem seiner Nachbarn, nicht bereit, die harten Konditionen des Internationalen Währungsfonds zu akzeptieren.
Mahathirs ausgeprägtes Machtbewusstsein hat seiner Popularität allerdings nicht immer gut getan: Sein intolerantes Vorgehen gegen Kritiker und Opponenten machte 1998 weltweite Schlagzeilen: Viele Malaysier hatten die Entlassung seines damaligen populären Stellvertreters Anwar Ibrahim aus dem politischen Amt verurteilt. Dieser war wegen Korruption und Homosexualität angeklagt worden und sitzt seitdem im Gefängnis.
NICOLA GLASS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen