Bush will Räder weiterrollen lassen

Fehlender politischer Wille, schlechte Infrastruktur, mieses Image – noch nie in ihrer 30-jährigen Geschichte hat die US-Eisenbahngesellschaft Amtrak schwarze Zahlen geschrieben. Ende der Woche ist das Unternehmen zahlungsunfähig

aus Washington MICHAEL STRECK

Erstmals hat die nationale US-Eisenbahngesellschaft Amtrak damit gedroht, zum Ende dieser Woche landesweit den Verkehr einzustellen und Bankrott anzumelden. Angesichts der Vorstellung, dass ein Lebensnerv der dicht besiedelten Region von Boston bis Washington getroffen werden könnte, lenkte Präsident George W. Bush am Montag ein. Er versprach eine neue Finanzspritze, ohne jedoch konkrete Sanierungsvorschläge vorzustellen.

„Ich bin überzeugt, dass wir einen Stillstand verhindern können“, sagte Transportminister Norman Mineta. Angeblich plane die Regierung 120 Millionen Dollar bereitzustellen, 80 Millionen weniger als von Amtrak gefordert. Gestern war daher nach Angaben eines Amtrak-Sprechers unklar, ob die Summe den angekündigten Stillstand tatsächlich abwenden kann.

Seit Jahren steckt Amtrak, 1971 aus der Fusion dreier Bahngesellschaften entstanden, in der Krise. Die Kassen sind so leer, dass der Verkehr nicht einen Tag über den Monat Juni hinaus aufrechterhalten werden kann. Alle Vermögenswerte sind bereits verkauft, gerade entdeckten Buchprüfer 200 Millionen Dollar bislang nicht ausgewiesene Verluste. So sah sich der erst vor wenigen Wochen ins Amt berufene Amtrak-Chef und Krisenmanager David L. Gunn gezwungen, eine „geordnete Stilllegung“ anzuordnen – falls der Kongress nicht die Millionen bewilligt.

30 Jahre lang hat Amtrak überlebt, ohne je schwarze Zahlen zu schreiben. Seit langem wurde dem Unternehmen der sichere Tod vorausgesagt. Immer wieder die gleichen Rituale: Das Weiße Haus dreht kontinuierlich den Geldhahn ab, stets sprang der Kongress ein. Das bewahrte Amtrak vor der Pleite, half aber nicht, dringend notwendige Reformen zu finanzieren.

In regelmäßigen Abständen drohte Amtrak daher Routen stillzulegen, auf denen nur noch Geisterzüge verkehren – vor allem Stichstrecken aus den Metropolen in ländliche Regionen und die langen Kontinentalverbindungen von Küste zu Küste, die überwiegend Touristen benutzen. Viele Bundesstaaten haben nur noch deshalb einen Bahnhof, auf dem einmal täglich ein Zug hält, weil einflussreiche Senatoren um ihre Wählergunst fürchten. So verhinderte der Kongress bis heute durchgreifende Strukturveränderungen.

Die chronische Krankheit des Unternehmens ist jedoch der Passagierverkehr, der systematisch vernachlässigt wurde. Für den sinnvollen Ausbau des Netzes fehlt schlicht politischer Wille. Priorität aller US-Regierungen war immer der Auto- und Flugverkehr. Während Flughafen- und Highway-Projekte aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden, muss Amtrak seine riesige Infrastruktur selbst erhalten. Langsame, dreckige, alte Züge auf verrotteten Gleisanlagen – die US-Bahn kämpfte lange mit schlechtem Image. Heute präsentiert sich Amtrak immerhin auf ausgewählten Strecken mit bequemen Waggons und renovierten Bahnhöfen. Allerdings: Die einzige Strecke, die Gewinn abwirft, ist die von Boston über New York nach Washington. Hier benutzen mittlerweile mehr Menschen den Zug als das Flugzeug.

Experten fordern jetzt, Amtrak solle sich auf den Ausbau der wichtigen und profitablen Intercity-Verbindungen konzentrieren, das Schienennetz abgeben und auf ausgewählten Linien andere Betreiber operieren lassen.

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