Protest am Tunnel gegen Lkw-Flut

Montblanc-Strecke wieder für Schwerverkehr frei. Italien erzwingt Öffnung für die „Freiheit des Transports“ in EU

ROM taz ■ Heftige Proteste von Umweltschützern begleiteten gestern die vollständige Öffnung des Montblanc-Tunnels für den Schwerlastverkehr. Einige tausend Demonstranten auf der französischen Seite, einige hundert auf der italienischen sorgten von der Nacht an mit brennenden Paletten und mit Strohballen dafür, dass Lkws nicht in den Tunnel einfahren konnten; nur drei Fahrzeugen gelang die Durchbrechung der Blockade. Zugleich blieben in Chamonix das Rathaus ebenso wie viele Geschäfte geschlossen.

„Wir wohnen hier, für uns ist es ein Leichtes, immer wieder neue Blockaden zu organisieren, in unregelmäßigen Abständen und ohne Vorankündigung, mal auf unserer Seite, mal auf der französischen Seite“, erklärte eine Sprecherin der italienischen Initiativen. Auch der Sprecher der französischen Protestierer kündigte anhaltenden „aktiven Widerstand“ an, der aber gewaltfrei bleiben werde. Kontinuierlich werde in Zukunft der Verkehr beobachtet; sobald sich ein Schwergewicht über 19 Tonnen nähere, werde sofort eine Blockade organisiert.

Der nach dem Brand 1999 – damals starben 39 Menschen – erst im März wiedereröffnete Tunnel war aufgrund französischer Widerstände zunächst für Lkws gesperrt geblieben. Letztlich aber setzte sich die italienische Regierung mit ihrem Standpunkt durch, dass so die „Freiheit des Transports“ in der EU behindert werde. Frankreichs Verkehrsminister konnte allein eine Öffnung auf Raten erreichen – erst Lkw unter 19 Tonnen, dann auch schwerere Fahrzeuge, allerdings mit weniger als vier Achsen –, die gestern ihren Abschluss erreichte. Mit dieser Salamitaktik sollte verhindert werden, dass die Protestwelle zu hoch schlug – eine Taktik, die offenkundig nicht aufgegangen ist.

Um eine Wiederholung der Katastrophe von 1999 zu verhindern, bleibt die Durchfahrt allein für Gefahrguttransporte verboten. Auch soll der Lkw-Verkehr im Stundenwechsel alternierend in nur einer Richtung fließen. Mit keiner dieser Maßnahmen allerdings wäre das Unglück von 1999 verhindert worden: Damals war ein Margarinetransporter wahrscheinlich aufgrund eines Defektes in Brand geraten.

Und schon gar nicht werden die Sicherheitsmaßnahmen etwas an der Beeinträchtigung der Umwelt unterhalb des höchsten Alpengipfels ändern. Glatt um ein Drittel seien die Atemwegserkrankungen in den Montblanc-Gemeinden seit der Tunnelsperrung 1999 gesunken, rechnen die Umweltinitiativen vor. Damit könnte bald Schluss sein: In Zukunft sollen wieder 1.500 Lkw täglich durch den Tunnel rollen. MICHAEL BRAUN