„Bald Zustände wie in Tokyo“

Im Kampf gegen die Parkplatznot in der Neustadt: Ortsamtsleiter und Polizei demontieren Schilder Und Revierleiter Riekers warnt jetzt schon: „Danach kontrollieren wir wesentlich schärfer“

Viele Verbotsschilder weg, dafür auch schärfere Kontrollen in der Neustadt

Der Mann spannt seine Muskeln an, es gibt einen Ruck, dann knirscht die Schraube in ihrem rostigen Gewinde. Augenblicke später hält er das demontierte Parkverbotsschild wie eine Trophäe in den Händen. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich über sein Gesicht. So geschehen gestern morgen um halb zehn in der Neustädter Großen Johannisstraße.

Bricht jetzt Anarchie im Kampf um die knappen Abstellmöglichkeiten für Autos aus? Keinesfalls. Der demontierende „Täter“, Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer, versucht auf diese Weise, die „chaotischen Zustände“ im Stadtteil zu legalisieren – natürlich nicht eigenmächtig. Zusammen mit dem Polizeirevierleiter Rainer Riekers und Waltraut Osterloh vom Amt für Straßen und Verkehr fuhr Fischer gestern vormittag rund zwanzig Stellen seines Stadtteils ab. Sein Ziel: Möglichst viele überflüssig gewordene Parkverbotsschilder abzubauen. „Wir können damit natürlich keine neuen Parkplätze schaffen“, sagt Osterloh. Aber „wir können allein heute eine dreistellige Zahl von Parkplätzen legalisieren“, sagt Polizist Riekers.

Rund hundert NeustädterInnen hatten sich seit dem Beginn der „Anti-Schilderwald-Aktion“ Ende Mai im Ortsamt und auf dem Polizeirevier gemeldet mit Vorschlägen, welche Schilder verschwinden sollten. „Wir haben die Ideen geprüft. Natürlich können wir nicht alle Schilder abbauen“, sagt Fischer und erklärt: „Wenn die Leute ihren Privatparkplatz direkt vor dem Haus und mit Grün drum herum haben wollen, geht das natürlich nicht.“

Besonders wichtig zu bedenken sei außerdem, dass nicht den schwächsten VerkehrsteilnehmerInnen, Kindern, behinderten Menschen oder Eltern mit Kinderwagen, der Platz auf dem Gehweg genommen werden dürfe. Das könnte passieren, wenn „einbeiniges“ Parken – also halb auf dem Gehweg – erlaubt würde.

Revierleiter Riekers betonte, dass mit der Parkplatzlegaliserung die Zeit der zugedrückten Augen und der relativen Knöllchenfreiheit in der Neustadt vorbei sei: „Wenn die Schilder abgebaut sind, kontrollieren wir hier wesentlich schärfer, vor allem in Einmündungen. Da haben Kinder, die zwischen den Autos rausgelaufen kommen, nämlich keine Chance.“ Aber auch durch die Wohnstraßen der Neustadt werden mehr Parkplatzpatrouillen streifen.

Das Grundproblem links der Weser ist leicht erklärt: „Wir sind hier die Parkfläche für die Innenstadt“, sagt der Ortsamtsleiter über seinen Stadtteil. „Dabei ist die vordere Neustadt ohnehin schon eins der am dichtesten besiedelten Quartiere in Bremen.“ Die Chance auf eine langfristige Lösung sieht er in einem gesellschaftlichen Umdenkprozess: Wir haben schon einen recht gut ausgebauten ÖPNV. Die Leute müssen die Park-and-Ride-Anlagen noch mehr nutzen.“

Sonst sei das Neustädter Parkchaos irgendwann nur noch nach asiatischem Vorbild zu lösen. Fischer zieht den großen Bogen: „Sonst haben hier bald Zustände wie in Tokyo: Da darf man ein Auto nur anmelden, wenn man selbst einen Parkplatz nachweisen kann.“ Ulrike Bendrat