Russischer Boden ist wieder käuflich

Die Duma beschließt die Aufhebung des Handelsverbots mit Grund und Boden für ihre Staatsbürger. Doch Ausländer und Firmen mit fremder Kapitalbeteiligung sind vorerst weiter ausgenommen. Es geht um 220 Millionen Hektar Nutzfläche

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Dem privaten Erwerb von Grund und Boden steht in Russland nun nichts mehr im Wege, zumindest juristisch nicht. Mit 258 zu 149 Neinstimmen verabschiedete die Duma gestern in dritter Lesung ein Gesetz, das den Handel mit Grund und Boden 75 Jahre nach der bolschewistischen Zwangskollektivierung wieder erlaubt. Gleichzeitig ging damit auch eines der langwierigsten Gesetzgebungsverfahren der postkommunistischen Ära zu Ende. Seit knapp zehn Jahren lag der Volksvertretung ein höchst umstrittenes Reformprojekt vor, das von der konservativ kommunistischen Mehrheit in den 90er-Jahren erfolgreich blockiert werden konnte. Russlands neue Verfassung indes sieht bereits seit 1993 den freien Erwerb von Grund und Boden vor.

Das unter Wladimir Putin zu einem handzahmen Akklamationsorgan umfunktionierte Parlament segnete den Regierungsentwurf nicht einfach lautlos ab. Vielmehr brachte die dem Kreml nahe stehende zentristische Mehrheit in letzter Minute noch einen Änderungsantrag ein, der Ausländer und Firmen mit mehr als 50 Prozent ausländischer Kapitalbeteiligung vom Landerwerb ausschließt. Sie müssen vorerst mit einer Pachterlaubnis von 49 Jahren vorlieb nehmen.

Die Diskussion um Grund und Boden ist in Russland grundsätzlich mit Mythen und Emotionen versetzt. Vermeintliche Patrioten fürchten den Ausverkauf der russischen Erde, der „Mutter Heimat“. Da mindestens 60 Prozent der Putin’schen Wähler aus dem patriotischen Milieu stammen, ist durchaus denkbar, dass der Kremlchef diesen muttererdigen Instinkten nachgegeben hat. Parlamentswahlen finden im nächsten Jahr statt. Da ein Kaufverbot den Russen indes nicht automatisch ein besseres Leben beschert, worauf unzählige Volksverdummer abheben, deutete Putin an, noch sei das letzte Wort nicht gesprochen. Man wolle die Entwicklung auf dem Bodenmarkt abwarten und Beschränkungen später noch einmal prüfen.

Erhöhte Wachsamkeit beim Handel mit Grund und Boden ist berechtigt, um einem hemmungslosen Ausverkauf vorzubeugen. Erinnerungen an die nicht gerade vorbildliche Privatisierung des sozialistischen Volksvermögens sind noch lebendig. Niedrige Bodenpreise außerhalb der städtischen Metropolen könnten der Spekulation überdies Vorschub leisten. Das Gesetz will dem einen Riegel vorschieben, indem landwirtschaftliche Flächen nicht zweckentfremdet werden dürfen. Außerdem ist verboten, mehr als zehn Prozent der Nutzfläche einer Region an einen einzelnen Eigentümer zu veräußern. Darüber zu wachen haben die Lokalbehörden. Die Entwicklung von Großgrundbesitz würde in Russland ideologische Ängste freisetzen, nach dem Motto: „Landreform – Weg in die Versklavung“, stand auf Transparenten der Demonstranten vor der Duma.

Etwa 220 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche fallen unter das neue Gesetz, ihr Handelswert beläuft sich auf rund 100 Billionen Dollar. Sowchosen und Kolchosen, die früheren Produktionsgenossenschaften, verwalten bis heute das Ackerland. Die meisten wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt und übereigneten ihren Mitarbeitern Rechte an den Böden, die sie bisher indes nicht verkaufen durften. Nur ein kleiner Teil der Landbevölkerung bestellt den eigenen Boden, die Mehrheit verpachtet ihn.