Jetzt PISA-Ursache entdeckt?

Der erfolgreiche Bremer Unternehmer Conrad Naber behauptet: „Nur Faulheit hilft uns weiter“

Faulheit, endlich muß ich dir Auch ein kleines Loblied bringen! O!. . . Wie. . . sauer. . . wird es mir Dich nach Würde zu besingen! Doch ich will mein Bestes tun: Nach der Arbeit ist gut ruhn. Höchstes Gut, wer dich nur hat, Dessen ungestörtes Leben. . . Ach!. . . ich gähn!. . . ich. . . werde matt. Nun, so magst du mir‘s vergeben, daß ich dich nicht singen kann: Du verhinderst mich ja dran.

Mit diesen Worten besang der Dichter Gotthold Ephraim Lessing schon im 18. Jahrhundert das umstrittene Phänomen der Faulheit. In der katholischen Kirche handelt es sich sogar um eine der sieben Todsünden. Heute stellt sich der Bundeskanzler hin und mokiert sich über diese oder jene seiner Ansicht nach faulen Mitglieder der Gesellschaft.

Da muss der Satz „Nur Faulheit hilft uns weiter“ mehr als provokativ wirken - möglicherweise verbirgt sich dahinter die Ursache allen PISA-Übels? Ausgerechnet der bald 80-jährige Bremer Unternehmer Conrad Naber, Industrieofenbauer aus Lilienthal, der sich selbst ohne Not „Kapitalist“ nennt, hat seine Unternehmensbiografie so betitelt.

Verkehrte Welt? - Keinesfalls. Bei näherer Betrachtung erklärt sich der Faulheitsbegriff des Conrad Naber. Der entspricht nämlich keinesfalls den landläufigen Vorstellungen davon, was faule Menschen tun: „Die ,Faulheit‘, die wir propagieren, hat natürlich nichts mit Trägheit zu tun. Gemeint ist damit, dass jede unnötige Arbeit vermieden werden muss, um mit geringstem Aufwand den größten Nutzen zu erzielen“, erklärt der Unternehmer in seinem Buch. „Dies ist der Grundgedanke der Rationalisierung“, fasst er wenige Zeilen später zusammen. Und damit ist klar: Nabers „Faulheit“ besteht darin, sich das Hirn zu zermartern, wie Produktions- oder Verfahrensabläufe effizienter, rationaler werden. „Echte“ Faule würden in der selben Zeit sicherlich lieber schlafen oder den Wolken zusehen. Dennoch hat Nabers Faulheitsbegriff einen nachvollziehbaren Hintergrund: Er hat sich das Bremer Märchen von den „sieben Faulen“ zum Vorbild genommen. Diese sieben Männer, die sogar anfangs wirklich gerne auf der Wiese liegen, entpuppen sich im Verlauf der Erzählung als keineswegs faul, im Sinne von arbeitsscheu. Vielmehr sind die Brüder gewitzte Menschen, die sich durch Wissens- und Könnenerwerb das Leben erleichtern. Etwa lernen sie Straßen anzulegen, weil sie ihre Wagen nach dem Regen nicht mehr durch den Morast ziehen wollen. So gesehen ist auch Nabers Unternehmensphilosophie nicht mehr besonders revolutionär, sondern passt wieder zum kapitalistischen Unternehmer: „Nur Faulheit hilft uns weiter.“

Ulrike Bendrat