Abgeordnete fliegen für lau nach Yokohama

Innenministerium chartert Airbus für Regierungsdelegation zum WM-Endspiel nach Japan. Bund der Steuerzahler kritisiert „Lustreisen“

BERLIN taz ■ Der Einzug der deutschen Mannschaft ins WM-Finale ist ein nationales Ereignis, aber müssen deutsche Spitzenpolitiker deshalb auf Steuerzahlerkosten hinfliegen? Innenminister Otto Schily (SPD) hat einen Luftwaffen-Airbus gechartert und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat alle Fraktionsvorsitzenden und sportpolitischen Sprecher eingeladen, nach Japan mitzufliegen. Wie das so üblich ist bei Regierungsflügen, sind Flug und Übernachtung frei. Der Stundenpreis eines Airbus liegt bei etwa 5.200 Euro.

Der Bund der Steuerzahler kritisierte gestern, „dass sich ein ganzer Polittross auf den Weg nach Japan machen will“. Die Politiker „sollten an Problemen arbeiten und keine Lustreisen unternehmen“. Im Büro des Vorsitzenden des Sportausschusses des Bundestages, des SPD-Bundestagsabgeordneten Friedhelm Beucher, hieß es dazu, dass ein langer Flug und eine kurze Verweildauer durchaus „stressig“ seien. Beucher sagte zu der Kritik des Steuerzahlerbundes: „Was stört es die Eiche, wenn sich die Sau an ihr schabt.“ Die Anwesenheit von „Abgeordneten mit bestimmten Zuständigkeiten“ beim Endspiel sei wichtig für die „Werbung für Deutschland als Sportland“. Zudem seien auch Sportfunktionäre, ehemalige Fußballgrößen und Para-Olympics dabei.

Winfried Hermann, Mitglied im Sportausschuss für Bündnis 90/Die Grünen, der seinen Mitflug ursprünglich zugesagt hatte, wollte sich gestern Abend noch mit Außenminister Fischer verständigen. Einzig der sportpolitische Sprecher der PDS, die DDR-Radsportlegende Täve Schur, zog seine Zusage zurück. Eine Büromitarbeiterin: „Er hat sich das über Nacht überlegt. Die Entscheidung fiel unabhängig von der Kritik.“ Schur nehme stattdessen an der Eröffnung einer Sporthalle teil.

Von den Fraktionsvorsitzenden der Parteien verzichten zwei auf den WM-Abstecher. Peter Struck (SPD) hat wichtige Gremiensitzungen. Friedrich Merz (CDU/CSU) „widmet seine Sonntage grundsätzlich seiner Familie“, hieß es aus seinem Büro. Nur FDP und PDS sind mit von der Partie. Eine Sprecherin von FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt findet es „sehr nett, auch die Fraktionsvorsitzenden einzuladen“. Der PDS-Fraktionsvorsitzende Roland Claus bezeichnete die Einladung als „unterstützenswert“. Dass die im Bundestag vertretenen Parteien beim Endspiel dabei seien, sei „sinnvoll“. Claus geht jedoch – Regierungsflug hin oder her – von einer Kostenbeteiligung aus.

Im Innenministerium zeigte man sich gestern gelinde gesagt überrascht über die Kritik an dem Flug. Es sei „selbstverständlich“, dass eine Regierungsdelegation zum Endspiel reise. „Wenn ein Airbus fliegt, warum soll man ihn dann nicht voll machen?“ Der Bundeskanzler wird vom Weltwirtschaftsgipfel in Kanada in der japanischen Regierungsmaschine mitfliegen. Nur Kanzlerkandidat Stoiber reist mit ganz normalen Fussballfans in einer LTU-Maschine – aber nur weil eine vom DFB ausgesprochene Mitflugeinladung nicht mit seinen Terminen zu koordinieren war. BARBARA BOLLWAHN

DE PAEZ CASANOVA