Auf und ab

1958 wird Gert Postel in Bremen geboren, als Sohn eines Kfz-Handwerkers und einer Schneiderin. Nach der Volksschule macht er eine Ausbildung bei der Bundespost und arbeitet ein Jahr lang als Postbote. Alles normal, dann aber legt er los.

1977 hält er sich für einige Monate in einem Missionsseminar bei Celle auf. Dem Kreiswehrersatzamt übersendet er mehrmals gefälschte Bescheinigungen der Anstalt. Die Folge: Er muss nicht zum Grundwehrdienst einrücken. Postel will lieber in den Justizdienst. Unter Vorlage eines gefälschten Abiturzeugnisses bewirbt er sich zunächst erfolgreich um die Ausbildung als Rechtspflegeanwärter. Die Täuschung fliegt jedoch bald auf. 1979 wird er zum ersten Mal verurteilt. Die Strafe fällt milde aus: siebenhundert Mark Geldbuße.

Postel drängt es jetzt in den medizinischen Bereich. Vielleicht weil dort bei Einstellungen keine polizeilichen Führungszeugnisse gefordert werden. Erst mal fängt er jedoch vorsichtig an. In einem Mietvertrag gibt er sich als Arzt aus, um seine Chancen auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Wegen unbefugter Titelführung verurteilt ihn ein Amtsgericht zu einer weiteren Geldstrafe. Für einige Monate ist er als Arzt beim Reichsbund Berufsbildungswerk, dann kurzzeitig auch als Stabsarzt bei der Bundeswehr tätig. In beiden Fällen erstattet Postel, nachdem er entdeckt wird, Anzeige gegen sich selbst. Wieder zeigt sich die Justiz milde – Geldbuße und Einstellung wegen Geringfügigkeit.

Einen ersten Höhepunkt seiner Karriere erreicht Postel im Sommer 1982. Fast ein halbes Jahr wirkt er als stellvertretender Amtsarzt beim Gesundheitsamt Flensburg, er nennt sich Dr. Dr. Bartholdy. Diesmal fällt das Urteil der Justiz etwas härter aus, Postel erhält ein Jahr Bewährungsstrafe. In den nächsten Jahren hält er sich mit auffälligen Taten zurück. Gelegentlich arbeitet er als Pressefotograf und als Kunsthändler. Erst 1996 wird er unter anderem wegen fortgesetzter Entziehung vom Wehrdienst und wegen Betruges zum Nachteil der FAZ – er konnte eine Todesanzeige nicht bezahlen – wieder zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Zwischendurch arbeitet er immer wieder als Arzt. So erstellt er für das Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg sozialmedizinische Gutachten.

Schließlich liefert Postel sein Meisterstück ab. Als Oberarzt arbeitet er eineinhalb Jahre in der Psychiatrischen Abteilung des Sächsischen Krankenhauses in Zschadraß. Nebenbei verdient er etwa 44.000 Mark als Gerichtsgutachter. Mitte Juli 1997 wird er entlarvt und taucht unter. Nach seiner Festnahme verurteilt ihn das Landgericht Leipzig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Seitdem hat Postel nicht mehr, soweit bekannt, hochgestapelt. ANGELIKA FRIEDL