Loch zu: Pro und Contra

Gut so! Wegen ein paar Knochen muss man nicht alles verschandeln

Geschichte besteht aus Schichten. Und die muss man sehen. So teuer ist das nicht

Ja, die Ausgrabungen auf dem Marktplatz ziehen derzeit Trauben von Hobby-Archäologen an. Es ist deshalb gar keine schlechte Idee, das Interesse zu verstetigen. Fragt sich bloß, wie? Ein kleines Häuschen mit Führungen? Würde den Gesamteindruck des Möchtegern-Weltkulturerbes zerstören. Wie sollte die Architektur auch aussehen, die ins Renaissance-Ensemble passt? Nein, bitte nicht.

Dann eine Nummer kleiner, etwa wie der Rosen-Glaskasten vor dem Bahnhof, oder einfach nur schlicht eine plane Glasplatte. Das dürfte die neue Besichtigungsstätte der Bremer Urzeit zum echten Publikumsrenner werden lassen – und zwar in der Musical-Preisklasse: Beides würde nämlich langsam eintrüben und von schönen Scratchings verziert werden. Danke, nein!

Und, seien wir mal ehrlich: Das Grabungsergebnis ist die Mühe doch kaum wert. Der Landesarchäologe betont zwar dauernd, Bremens Geschichte müsse „neu geschrieben werden“ – aber das ist reinster Selbsterhaltungstrieb einer ausssterbenden Zunft. Tatsächlich hat er bislang nur ein paar Pflasterschichten, eine alte Feuerstätte, Mauer- und Knochenreste ans Tageslicht befördert. Sowas ist nicht nur in ganz Europa zu finden – dort würde auch niemand auf die Idee kommen, gleich das Schmuckkästchen der Stadt zu verschandeln. Einzig bemerkenswert an den Marktplatz-Buddeleien: Die Kriechspur eines Maulwurfs von anno dunnemals. Ab damit ins Museum, warum auch nicht. Und der Rest? Zupflastert! Kai Schöneberg

Macht die Grube wieder auf! Wir wollen Originales statt Digital-Geschichte

Blutenden Herzens standen Ausgräber und Passanten gestern dabei, als der Bagger Schaufel um Schaufel auf 1.000 Jahre Geschichte fallen ließ – bearbeitet mit dem Pressluftrüttler, bis alles wieder verfestigt und eben war.

Die Betonköpfe haben gewonnen. Vorerst. Jetzt heißt es: Bürger, reißt das Loch wieder auf. Wir wollen Geschichte. Das Bedürfnis nach Originalem ist groß – Hunderte von historischen Steinen haben die BremerInnen für teure Euros gekauft und nach Hause geschleppt. Offensichtlich macht es Spaß zu wissen: Auf diesem Pflaster ist schon Till Eulenspiegel rumgelaufen und hat einem feisten Ratsherren auf den Braten gekackt. Da sollte man keinen Sand drauf tun. Sondern Glas.

So teuer ist das nun auch wieder nicht. Die Berliner gönnen sich jedes Jahr eine neue Scheibe Panzerglas neben dem Kronprinzenpalais. Hier aber wird das Geld lieber für digital animierte Geschichte im St. Jacobi-Packhaus ausgegeben. Gähn.

Originale sind nicht zu toppen. Wer klickt sich schon durch Bildschirm-Bremenbilder, wie man das an der Außenseite der Bürgerschaft kann? Kaum einer. Aber direkt gegenüber klebten BremerInnen und Touristen am Baustellen-Gitter – Tag für Tag. So viele faszinierte Menschen können sich nicht irren. Sie waren derart neugierig, dass die Ausgräber ein Schild „Bitte nicht füttern“ auf ihre Seite der Absperrung hängten. Geschichte besteht aus Schichten. Und die muss man sehen. Henning Bleyl