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: Eine Studie belegt: Die WM-Torhüter waren keine Elfmetertöter

Die Chance des Tormanns beim Elfmeter

37 Elfmeter gab es in Südkorea und Japan bis zum Finale. Drei gingen an die Latte, den Pfosten oder vorbei. Blieben 34, die den Torhüter erreichten. Die wehrten davon acht ab – knapp 24 Prozent. Das klingt gar nicht so schlecht. Ist es aber. Zumindest, wenn man dies mit Zahlen vergleicht, die Wissenschaftler aus Liverpool und Amsterdam kürzlich im Journal of Sports Science publizierten.

Die Forscher hatten das Reaktionsverhalten von 14 niederländischen Torleuten unter die Lupe genommen, unter denen Ligaspieler (Profis) und Gelegenheitstorwarte (Anfänger) waren. Die Profis wehrten von 30 Strafstößen im Schnitt 36 Prozent ab, die Anfänger hielten dagegen nur 26 Prozent – beides oberhalb der Quote in Ostasien.

Allerdings: Der Versuchsaufbau erfolgte nicht auf dem Rasen, sondern virtuell. Um verschiedene Parameter während der Reaktionsphase der Torleute analysieren zu können, wurden diesen Filme vorgespielt, auf denen Schützen zum Elfmeter anliefen. Die Filme wurden dabei so auf einen Schirm projiziert, dass für die Torleute eine realistische Torliniensituation entstand.

Über einen Joystick konnten sie sich dann – während des ablaufenden Films – für eine virtuelle Parade zu einem bestimmten Punkt auf der Grundlinie entscheiden. Dass diese Entscheidung schon vor dem eigentlichen Abschuss erfolgen sollte, ist bekannt: Schließlich benötigt der (hart geschossene) Ball vom Elfmeterpunkt bis zur Grundlinie etwa 500 Millisekunden. Ist er gut platziert, reicht diese halbe Sekunde für den Torwart nicht, ihn zu erreichen. Also muss er sich vorher auf eine Ecke festlegen.

Interessant war: Die Anfänger reagierten bereits eine halbe Sekunde vor dem Abschuss, die Profis behielten 200 Millisekunden länger die Nerven und bewegten den Joystick erst 300 Millisekunden vor dem Schuss. Auch das Blickverhalten wurde aufgezeichnet. Auffällig dabei: Die Profis nahmen weniger Segmente der anlaufenden Schützen – dafür aber jeweils länger – ins Auge, während die Blicke der Neulinge unruhiger waren. Die Experten konzentrierten sich vor allem auf Beine und Gesicht der Schützen sowie auf den Ball, die Anfänger nahmen dagegen auch Hüfte, Rumpf und Arme ins Blickfeld. Schon frühere Publikationen hatten die Bedeutung des beim Schuss passiven Beins hervorgehoben: So existiert etwa eine Theorie, nach der die Spitze des nichtschießenden Beins im Moment des Schusses in die zu erwartende Schussrichtung weist. Schade, dass der Torwart diesen Moment nicht abwarten darf.

Wem das alles nützt, ist nicht klar. Noch versuchen die Wissenschaftler, die Regeln zu finden, die den Torhütern zu mehr Erfolg verhelfen. Und noch ist dies zu wenig, um Torleuten wirklich Empfehlungen zu geben. Und wäre dies so weit, darf man annehmen, dass auch die Schützen ihr Täuschungstraining verstärken würden.

KARL HÜBNER