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: Zum Morden frustriert

„Warum musste Klaus Herzberg sterben?“ (22.30 Uhr, WDR)

Am 6. Februar 2001 wurde der Direktor des Arbeitsamtes Verden vor seiner Garage ermordet. Durch 26 Messerstiche in den Kopf. „War es ein politisches Fanal gegen die zunehmende Entrechtung der Arbeitslosen“, wie der Weser-Kurier schrieb? Oder eine Verzweiflungstat? War Werner Braeuner zum Mörder geworden, weil er die soziale Isolation einfach nicht mehr ertrug?

Martin Keßlers Dokumentarfilm über den arbeitslosen Ingenieur, der von einer sinnlosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in die nächste geschleust wurde, zeichnet dessen hoffnungslose Situation, die zum Mord führt, akribisch nach. Die Fortbildung habe sich als „Rumsitzkurs“ gestaltet, schildert der zu zwölf Jahren Haft Verurteilte seine damalige Situation. Als Nerventerror habe er dies empfunden, daraus resultierende Schmerzen mit Alkohol betäubt. Leidensgenossen aus der deutschen Arbeitslosenszene berichten von alarmierenden E-Mails, die sie von Braeuner empfingen. Keßler zitiert aus Briefen ans Arbeitsamt, in denen der Langzeitarbeitslose den Leiter als Nazischergen beschimpft.

Keßler hat also sorgfältig recherchiert. Doch sein Film ist auch eine beklemmende Sozialstudie, die zeigt, wie dramatisch sich soziale Ausgrenzung auf die Psyche auswirken kann, wie hilflos der Staat auf die Zuspitzung der Verhältnisse reagiert: Mit Alarmklingeln unter den Tischen der Arbeitsberater – und mit der Schließung eines Arbeitslosenarchivs und eines Treffs für Menschen ohne Beschäftigung. Es ist eine gespenstische Szenerie, die die Doku vorführt: düstere Flure; umfangreiche Aktenordner, die von bürokratischem Erfassungseifer zeugen; Beamte, die ob des unerwarteten Berufsrisikos die Welt nicht mehr verstehen. Arbeitslose treten auf. Verhuscht und mit schlechtem Gewissen, weil sie vielleicht hätten helfen können, sich vielleicht mehr hätten kümmern müssen.

„Mein Film verteidigt nicht und klagt nicht an“, sagt Keßler. Der Zuschauer solle sich seine eigene Meinung darüber bilden, was hier alles „ineinander greifen musste, bevor es zu einer solchen Schreckenstat kommen konnte.“ GITTA DÜPERTHAL