Es ist was faul im Staate Dänemark

Mit recht zweifelhaften Methoden versucht Kopenhagen sich an der Schulmeisterei gegenüber ausländischen JournalistInnen

aus Kopenhagen REINHARD WOLFF

Heute Nachmittag wird der Pressereferent der dänischen Botschaft in Berlin dem Außenministerium in Kopenhagen rapportieren, dass in der taz ein Artikel erschienen ist, der sich kritisch mit der Politik der Regierung gegenüber ausländischen Medien beschäftigt. Möglicherweise wird diesen Zeilen auch die Ehre zuteil werden, auf einer regierungsamtlichen Internetseite mit der Überschrift „Fehler in der ausländischen Presse“ kritisiert zu werden, und eventuell wird der Redakteur dieses Ressorts einen Anruf erhalten, in welchem bitter über dessen Tendenz geklagt wird.

Kopenhagen ist für ausländische JournalistInnen nicht über Nacht zu einem Moskau oder Ostberlin in den Siebzigerjahren geworden. Doch die seit Ende letzten Jahres regierende Koalition hat sich als extrem dünnhäutig gegenüber ausländischer Kritik gezeigt. Anlässlich der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft zum 1. Juli offenbar noch ein Stück mehr als in den Monaten vorher ohnehin schon.

Begonnen hatte das Schulmeistern der Auslandspresse Mitte Januar diesen Jahres. Da hatte Integrationsminister Bertel Haarder, der Mann, der kraft Amtes die extrem verschärfte Asyl- und Ausländerpolitik der über fremdenfeindliche Ausfälle ins Amt gekommenen neuen Mitte-rechts-Koalition personifiziert, das ausländische Pressekorps zu sich bestellt. Das Treffen begann mit einer Gardinenpredigt und der Aufforderung, gefälligst nichts Negatives über die dänische Flüchtlingspolitik zu verbreiten, sofern man nicht vorher die Ausländerpolitik in der eigenen Heimat unter die kritische Lupe genommen habe.

Gezielt und ungebeten wurden ein britischer, ein holländischer und ein deutscher Kollege über die Flüchtlingspolitik ihres eigenen Landes informiert, so wie Minister Haarder diese einschätzt, und ihnen nahe gelegt, erst einmal vor der eigenen Tür zu kehren. Dieses seltsame Verständnis über die Arbeit von AuslandskorrespondentInnen verglich ein jordanischer Korrespondent mit den Allüren eines Stammeshäuptlings, der meint, die „unwissenden und undänischen Journalisten über die Kunst belehrt zu haben, über den dänischen Stamm zu berichten“.

Die Erfahrung, plötzlich kritische Zeilen über ein Dänemark zu lesen, das vorher gewöhnlich als klein, liberal, ungefährlich und gemütlich beschrieben wurde, war offenbar mehr, als seine führenden PolitikerInnen verkraften konnten.

Im Lichte der EU-Ratspräsidentschaft und nach wie vor ob seiner Ausländerpoltik „unverstanden“, scheinen in Kopenhagen weitere Sicherungen durchgebrannt. Nach einem Bericht der Kopenhagener Tageszeitung Berlingske Tidende gilt ab sofort die tägliche und systematische Berichterstattungspflicht dänischer Botschaften über jede Zeile in Auslandsmedien, die sich mit Dänemark befasst. Außerdem träfen sich ebenfalls täglich die Pressechefs der wichtigsten Ministerien, um sofort Reaktionen koordinieren zu können, sollte „die Mediensituation sich zuspitzen“. Eine Informationsmappe wurde angelegt, die ausländischen JournalistInnen unaufgefordert in die Hand gedrückt wird, und die so wichtige Informationen enthält wie die, Dänemark habe die UN-Flüchtlingskonvention unterschrieben und halte sich deshalb natürlich an diese. „Das Thema Ausländerpolitik scheint ja von gewisser politischer Nervosität umgeben zu sein“, wunderte sich beispielsweise Philippe Gélie vom Pariser Le Figaro in der Kopenhagener Tageszeitung Information über die seltsame Sitte, bei einem Besuch in Dänemark unaufgefordert mit Material zum Asylthema eingedeckt zu werden. Mit seiner blau eingebundenen „Info-Mappe“ in englischer und französischer Sprache will Haarder, der auch Europaminister ist, bei seinem Antrittsbesuch im EU-Parlament in der kommenden Woche auch alle 626 ParlamentarierInnen beglücken.

Doch nicht genug mit dieser ungebetenen Aufklärungsaktion. „Fehler in der ausländischen Presse“ lautet seit einigen Tagen eine Rubrik auf der Internetseite (www.inm.dk) des Integrationsministeriums von Bertel Haarder. Dort soll zukünftig offenbar den regierungsamtlich als unrichtig bewerteten Behauptungen der Auslandspresse begegnet werden. Wie bereits jetzt geschehen mit der auflagenstärksten schwedischen Tageszeitung Aftonbladet, die dort mit „Korrekturen“ an den Pranger gestellt wird. Und nicht nur die langjährige Korrespondentin der Financial Times, Clare MacCarthy, wundert sich gegenüber der Information über die neue Medienbevormundung: „Seit 16 Jahren habe ich Artikel über die guten und schlechten Seiten der dänischen Politik geschrieben. Doch nie vorher ist es mir passiert, dass ich einen Anruf bekommen habe und jemand sich darüber beklagt hat.“

Der Schuss könne „nach hinten losgehen“, kritisierte in der vergangenen Woche Thomas Larsen, Redakteur beim Börsens Nyhedsmagasin, die „Ambition, die internationale Presse unter Dänemarks EU-Ratspräsidentschaft zu steuern“. Und weil sich die mehr oder weniger direkten Versuche von Einflussnahme, Druck, Anschwärzen und offenbar auch Drohungen durchaus auch auf kritische inländische JournalistInnen erstrecken, spricht die Tageszeitung Information bereits von „Rockerbandenmethoden“ und „Charaktermord“ an Presseleuten und fragt, ob Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen „es für eine gute Idee hält, dass sein Pressechef öffentlich kritische Journalisten anschwärzt“.