Dänemark übernimmt EU-Vorsitz

Kopenhagen will die Verhandlungen über die Osterweiterung zum Abschluss bringen und setzt sich selbst unter Druck

STOCKHOLM taz ■ Heute übernimmt Dänemark für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Am gleichen Tag schließt die Regierung in Kopenhagen die Tore für alle, die das Pech hatten, auf der falschen Seite der EU-Grenzen geboren worden zu sein. Wie es der Zufall es will, treten heute auch die massiven Verschärfungen des dänischen Asyl- und Ausländerrechts in Kraft. Trotz breiter Kritik auch aus den anderen EU-Staaten glaubt Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen nicht, dass dies der Stellung Dänemarks als EU-Vorsitzender schaden könnte. Im Gegenteil. Er sieht seine Regierung voll im Trend: „Die dänische Asylpolitik als Vorbild für Europa.“

Wie es der Zufall außerdem so will, wird das nächste halbe Jahr in der EU im Zeichen der Liberalen stehen. Alle drei EU-Institutionen werden von Vertretern liberaler Parteien geleitet. Neben dem Kommissionsvorsitzenden Romano Prodi und Pat Cox, Sprecher des EU-Parlaments, gehört auch Ratspräsident Rasmussens „Venstre“ zu den FDP-Schwesterparteien. Und „Venstre“ hat bereits vorexerziert, wie man mit einem an Fremdenängste appellierenden Wahlkampf, der auch vor dem Stimmensammeln in der äußeren rechten Ecke nicht zurückschreckt, an die Regierung kommen kann.

Wenn Rasmussens auch „seine“ Asylpolitik europaweit verankern möchte, führt ein anderes Thema das offizielle Arbeitsprogramm der dänischen Ratspräsidentschaft an: Die Osterweiterung. „Von Kopenhagen nach Kopenhagen“ lautet das Motto, denn 1993, als Dänemark das letzte Mal den Vorsitz innehatte, wurden in Kopenhagen die Leitlinien für die Osterweiterung aufgestellt.

Die dänische Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Verhandlungen mit den osteuropäischen Beitrittskandidaten bis zum Kopenhagen-Gipfel am 13. Dezember erfolgreich zu Ende zu führen. Rasmussen legte sich beim Gipfel in Sevilla audrücklich darauf fest, dass hierzu spätestens bis Ende Oktober die Frage der Zahlungen an die Bauern der Beitrittsländer geklärt sein müsse. Und er machte auch klar, dass Erfolg oder Misserfolg der dänischen Ratspräsidentschaft allein an der Frage der Osterweiterung zu messen sein werde.

Eine lange Nacht in Kopenhagen sehen dänische Medien schon für den 13. Dezember voraus und befürchten ähnlich wie in Nizza Marathonverhandlungen mit unzureichenden Resultaten. Außerdem plagt die Verantwortlichen die Sorge, dass sich die Demonstrationen gegen den EU-Gipfel ähnlich entwickeln könnten wie zuletzt in Genua und Göteborg. Die Behörden haben den rechtlich zweifelhaften Beschluss gefasst, alle Demonstrationen im Zentrum Kopenhagen zu verbieten. Mehr als 4.000 Polizeibeamte sollen im Einsatz sein und ein ganzes Gefängnis für Festgenommene geräumt werden. In den Medien ist bereits eine regelrechte Hysterie über angebliche Bedrohungsszenarien, unter anderem mit biologischen und chemischen Waffen, ausgebrochen. Nikolaj Heltoft, Sprecher von„Globale Rödder“ (Globale Wurzeln) befürchtet: „Anstatt diese verdrehte Medienkampagne zu kritisieren, reitet die Polizei auf dieser Welle auch noch mit.“ REINHARD WOLFF