Bahnchef droht mit Chaos

Die Deutsche Bahn AG fordert 10-Jahres-Verträge. Andernfalls werde sie im Regionalverkehr nur einen Mindestbedienstandard zu hohen Preisen erbringen

BERLIN taz ■ Die Landesverkehrsminister sind in Aufruhr. Sie und ihre Kollegen aus den Finanzressorts haben in der vergangenen Woche einen Brief von Bahnchef Hartmut Mehdorn bekommen, der auch der taz vorliegt. Darin fordert Mehdorn Verträge mit zehnjähriger Laufzeit. Andernfalls werde bei der Bahn massiv Personal abgebaut und das Angebot für die Reisenden minimiert.

Dass die Bahn damit bei der nächsten Landesverkehrsministerkonferenz zum bestimmenden Thema wird, ist klar: Die Kosten, die die Länder für einen solchen rudimentären Regionalverkehr bezahlen müssten, lägen deutlich höher, als was sie für vergleichbare Leistungen bisher ausgeben. „Keineswegs kann von der Bahn erwartet werden, dass sie weiter eine Klammerfunktion im Hinblick auf einen insgesamt funktionsfähigen Regionalverkehr wahrnimmt“, begründet Mehdorn.

In den vergangenen Tagen liefen die Telefone zwischen den Hauptstädten heiß. Anlass ist ein Spruch der Vergabekammer Magdeburg, der eine öffentliche Ausschreibung des gesamten Schienennahverkehrs in Sachsen-Anhalt vorschreibt. „Wir halten die Entscheidung der Vergabekammer für rechtswidrig“, schreibt Mehdorn, zweifelt so die Existenzberechtigung der juristischen Instanz an. Entscheiden sollten die Länder selbst.

In vielen Ländern sind die bisherigen Verträge mit der Bahn abgelaufen oder enden demnächst. In Sachsen-Anhalt fährt sie seit Anfang des Jahres ohne Vertrag, nachdem die Vergabekammer die Vereinbarung für ungültig erklärt hat, die Sachsen-Anhalts Exverkehrsminister Jürgen Heyer (SPD) im Februar unterschrieben hatte (siehe taz vom 25. 6.). Da der Spruch bereits rechtsgültig ist, muss das Land sofort mit der Vorbereitung des Wettbewerbs beginnen. Allerdings wird es eine mehrjährige Übergangsfrist geben. Die Verwaltung muss entsprechend aufgebaut, das Netz in sinnvolle Teilabschnitte gegliedert werden, die dann einzeln auszuschreiben sind.

„Die Bahn steht für einen reinen Übergangsvertrag mit einer Laufzeit unter zehn Jahren nicht zur Verfügung“, stellt Mehdorn klar. Er warnt alle Verkehrsminister, dem Vorbild Sachsen-Anhalts zu folgen. Zwar räumt er ein, dass die Bahn als Quasi-Monopolist per Auferlegung gezwungen werden kann, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Doch dann, so Mehdorn, werde nur ein teures Minimalprogramm geboten. „Alle Arbeitsplätze, die zur Sicherstellung des Mindestbedienungsstandards nicht erforderlich sind, (werden) konsequent abgebaut.“ ANNETTE JENSEN