Großgrundbesitz profitiert im Osten

Riesige Agrarflächen in Ostdeutschland würden „unter der Hand“ an Großbetriebe zu extrem günstigen Bedingungen vergeben, bemängelt die Bauernopposition AbL. Treuhand-Nachfolgerin BVVG feiert ihr zehnjähriges Bestehen

von SUSANNE AMANN

Erst beglückwünschten sich die einen, dann folgte nur zwei Stunden später die harsche Kritik der anderen. Gestern feierte die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in Berlin ihr zehnjähriges Jubiläum und wurde dabei von der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (AbL) und der „Interessensgemeinschaft für eine gerechte Verteilung öffentlicher Flächen in Ostdeutschland“ (IG Boden) scharf kritisiert. „Durch die Arbeit der BVVG ist es zu einer einseitigen Verteilung der Pachtflächen gekommen“, so der Hauptvorwurf von Friedrich-Willhelm Graefe zu Baringdorf, AbL-Bundesvorsitzender, und Jörg Gerke, AbL-Bundesvorstand und Sprecher der IG Boden.

Zehn Jahre ist es her, dass die (BVVG) aus der Treuhand ausgegliedert wurde, um eine der größten Aufgaben nach der Wiedervereinigung in Angriff zu nehmen: die Privatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen der ehemaligen DDR. Von der Bundesregierung als richtungsweisende Arbeit gelobt, die wesentlich zur Stabilisierung der Agrarstruktur und zum Aufbau einer modernen Landwirtschaft in den neuen Ländern beigetragen habe, sehen Graefe zu Baringdorf und Gerke das anders: Das ehemals staatseigene Land sei ab 1992 nach zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen gezielt an ausgesuchte Alteigentümer, Wiedereinrichter und LPG-Nachfolger verkauft und verpachtet worden.

„Unter der Hand vergeben“ ist der Ausdruck, den Graefe zu Baringdorf dafür benutzt, denn von den Pachtvergabekommissionen, auf deren Empfehlung hin die BVVG die Flächen verteilte, existieren weder Protokolle noch Kriterienkataloge, die Mehrzahl der Flächen wurde nicht öffentlich ausgeschrieben. Mitglieder der Kommissionen waren Vertreter des westdeutschen Bauernverbandes, ehemalige LPG-Vertreter und Verwaltungsbeamte. Was dazu geführt hat, so Gerke, „dass ausgerechnet diejenigen den Antragstellern Flächen zugeschustert haben, die früher selbst in LPGs organisiert waren“.

Was in der Vergangenheit zu einer einseitigen Verteilung der BVVG-Flächen vorwiegend an Großbetriebe gesorgt hat und damit die vor allem auch vom Deutschen Bauernverband gewünschten Strukturen geschaffen hat, ist aber bis heute brisant: Denn nach einer Novelle des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG) kann die BVVG jetzt jedem bisherigen Pächter das Land um bis zu 40 Prozent billiger verkaufen. Was einem geldwerten Vorteil von 200.000 bis 300.000 Euro pro Betrieb entspricht. „Diese Vergünstigungen können aber nur zirka 15 Prozent aller Betriebe voll in Kauf nehmen, weil die anderen erst gar nicht in den Genuss von BVVG-Flächen kamen“, kritisiert Gerke. Er kenne zahlreiche Beispiele von Klein- und Familienbetrieben, die sich vergeblich um Flächen der BVVG bemüht hatten, aber nicht zum Zuge kamen, was zu einer unglaublichen Wut bei bäuerlichen Betrieben in Ostdeutschland geführt habe.

Dass es auch mit einer erfolgreichen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht möglich sein wird, alle Pachtverträge der letzten zehn Jahre rückgängig zu machen, ist auch Graefe zu Baringdorf klar. „Darum geht es uns aber auch gar nicht.“ Die damalige Vergabepraxis und die jetzigen Subventionen führten zu einer deutlichen Verzerrung des Wettbewerbs zuungunsten von kleinen, Familien- oder Biobetrieben. Die Verdrängung anderer Betriebe und die damit verbundene Landflucht ganzer Regionen habe nichts mehr mit natürlichem Wettbewerb zu tun. „Wenn ich so geschmiert werde, dann kann ich natürlich wettbewerbsfähig arbeiten.“

AbL und IG Boden fordern deshalb nicht nur eine juristische Überprüfung des jetzigen Landverkaufs, sondern auch eine Streichung der Fristen für ebendiesen Verkauf. Denn wer bis 2004 kein Land verbilligt gekauft hat, also im Moment keines gepachtet hat, für den verfällt der Anspruch auf die Subventionen.