Apartheidopfer klagen Deutsche an

Südafrikanische Sammelklage gegen Banken aus der Schweiz und den USA wird auf Deutschland ausgeweitet – und die Liste ist noch nicht fertig. Den Unternehmen wird vorgeworfen, mit Milliardeninvestitionen die Apartheid unterstützt zu haben

aus Johannesburg MARTINA SCHWIKOWSKI

Opfer der südafrikanischen Apartheidregierung klagen weltweit: Nicht nur Schweizer und US-amerikanische Banken werden in einer Sammelklage auf Entschädigung in Milliardenhöhe verklagt, sondern jetzt auch drei deutsche Banken und die US-Computerfirma IBM. Demnach werden die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Commerzbank beschuldigt, vom weißen Minderheitsregime in Südafrika zwischen den Jahren 1952 und 1993 profitiert haben.

Die drei größten deutschen Banken sollen trotz wirtschaftlicher Sanktionen gegen Südafrika während der Apartheid etwa 4,5 Milliarden US-Dollar am Kap investiert und damit zur Aufrechterhaltung des Systems und zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen haben. IBM habe mit Technologie die Ausführung der Politik des Regimes unterstützt. Die Unterlagen liegen einem Gericht in New York vor. „Die südafrikanische Regierung zahlt immer noch die Kredite der deutschen Banken ab“, sagt John Ngcebetsha, ein Anwalt der Opfer in Johannesburg. Die Anklageliste sei noch lange nicht vollständig: „Wir arbeiten noch an den Unterlagen für französische und britische Firmen, die mit Waffen und Öl gehandelt haben.“

Der Sammelklage haben sich nach seinen Angaben inzwischen über 1.000 Südafrikaner angeschlossen. Sie erwarten eine Anwort vom New Yorker Gericht in den nächsten zwei Wochen.

Die ersten Forderungen auf Reparationen für Menschen, die während der Apartheid brutal misshandelt und körperliche sowie psychische Verletzungen davontrugen, waren bereits am 17. Juni in New York und Zürich eingereicht worden. Auf Betreiben des häufig als profitsüchtig kritisierten US-Anwalts Ed Fagan und des südafrikanischen Anwaltteams wurden dabei die Schweizer Geldinstitute UBS und Crédit Suisse sowie die US-amerikanische Citibank angeklagt, Geschäfte mit der früheren südafrikanischen Regierung gemacht zu haben. Zu den ersten prominenten Klägern in Südafrika selbst zählte Lulu Petersen, deren Bruder Hector bei den Schülerdemonstrationen am 16. Juni 1976 in Soweto von der Polizei erschossen wurde.

Dumisa Ntsebesa ist Hauptvertreter der südafrikanischen Opfer und gilt als einer der bekanntesten Menschenrechtsanwälte in Südafrika. Er selbst wurde von den Apartheid-Schergen gefoltert; sein Bruder unterstützt ebenfalls die Sammelklage. Ntsebesa gehörte der südafrikanischen Wahrheits-und-Versöhnungskommission an, die von 1995 bis 1998 die Leidensgeschichten der Opfer anhörte und Tätern bei Eingeständnis ihrer Taten Amnestie gewährte.

In der Zusammenarbeit mit Fagan, der Ende der 90er-Jahre bereits Schweizer Banken auf Kompensationen für Holocaust-Opfer verklagte, sieht Ntsebesa kein Problem. Er arbeite mit ihm als Anwalt zusammen und hoffe, das die Opfer endlich entschädigt werden.

Die meisten Apartheid-Opfer in Südafrika warten seit vier Jahren auf medizinische Hilfeleistungen und Zahlungen, die die Wahrheitskommission 1998 in einem vorläufigen Abschlussbericht empfohlen hatte. Nach Willen der Kommission sollten mehr als 21.000 Opfer Entschädigungen in Höhe von 300 Millionen US-Dollar erhalten. Jährliche Zahlungen für Folteropfer in Höhe von 17.000 bis 24.000 Rand (1.700 bis 2.400 Euro) für die Dauer von sechs Jahren waren vorgesehen, doch bis heute haben etwa 13.000 Südafrikaner lediglich zwischen 2.000 und 6.000 Rand als vorläufige Zahlung bekommen.

Nach vielen Verzögerungen soll der endgültige Abschlussbericht der Wahrheitskommission im August der Regierung vorgelegt werden. Die will erst dann über die Frage der Reparationen entscheiden.

Inzwischen haben jedoch schon 3.600 Apartheidopfer in der Provinz Westkap im Namen der landesweit aktiven Opfervereinigung „Khulumani“ die Regierung sowie Erzbischof Desmond Tutu als ehemaligen Vorsitzenden der Wahrheitskommission verklagt. Sie fordern Einsicht in die Berichte und Entwürfe der Regierung. Sie sind enttäuscht über die jahrelangen Verzögerungen und fürchten, sie könnten am Ende leer ausgehen. Aus diesem Grund häufen sich auch die Anrufe bei der Hotline der Sammelkläger.

Die südafrikanische Regierung hat sich zwiespältig zu der Klage geäußert und sorgt sich um die guten Beziehungen zu den betroffenen Ländern. Doch für niemanden solle ein Prozess verhindert werden.