Allein gegen alle

Turbulente Diskussion in der Gesamtschule Winterhude: Bildungssenator Rudolf Lange hat es geschafft, sämtliche Beteiligten im Bildungsbereich gegen sich aufzubringen. Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen machen ihrer Empörung Luft

von SANDRA WILSDORF

Es war nicht gerade ein Heimspiel, als Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) sich am Dienstagabend in der Gesamtschule Winterhude den Fragen von SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen stellte. Zwar siegen Mannschaften auch auswärts, aber Lange ist keine Mannschaft. Er war ganz allein gegen Hunderte aufgebrachter, frustrierter und ratloser Mütter, Väter, Jugendlicher und LehrerInnen. Und so kam Lange aus dem eigenen Strafraum kein einziges Mal heraus.

Der Elternverein Hamburg hat die Diskussion organisiert. Zwei Stunden lang bemüht man sich gemeinsam mit dem Publikum, um Antworten auf Fragen wie diese: „Warum sparen sie gerade an den Gesamtschulen?“ Und: “Wann nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass die Gesamtschule eine Schule mit einem besonderen Auftrag ist?“

Der Senator beteuert: „Die Gesamtschule hat bei mir einen besonders hohen Stellenwert, ich weiß um ihre Integrationsleistung und um ihre besonders hohe Bildungsbeteiligung. Dass wir gerade dort die schmerzhaftesten Einschnitte vornehmen mussten, ist mir sehr schwer gefallen. Nehmen Sie mir das doch bitte ab.“ „Nein.“ Warum denn dann die höchsten Einsparungen? „Weil das von der gewählten Regierung im Koalitionsvertrag so skizziert ist“, sagt Lange und verwahrt sich gegen den Vorwurf, er würde eine ideologische Schulpolitik machen.

Denn da ist ja der Haushalt. Und der ist die Antwort auf alle Fragen: Da sind Steuerschätzungen, die der Stadt plötzlich 600 Millionen Euro weniger Spielraum lassen, und da ist der Vorgängersenat, der mehr Geld ausgegeben hat, als er hatte.

Immer wieder kommen Abordnungen von Schulen auf die Bühne und überreichen Lange Unterschriftenlisten gegen die Kürzungen an ihren Schulen. Der Senator möchte am liebsten über die ganze Misere nicht mehr reden. Er wünscht sich einen „konstruktiven Dialog“.

Doch die Menschen glauben ihm nicht mehr. „Es ist doch Geld da, für eine Elbvertiefung und für bayerische Polizisten“, sagt ein Vater. „Nur in die Bildung unserer Kinder wollen sie nichts investieren.“ Und eine Mutter argwöhnt: „Ich glaube, dass Sie in Wirklichkeit den Konsens der Hamburger Bildungspolitik kündigen wollen und das egalitäre durch ein elitäres System ersetzen wollen.“

Da ist Lange aber wirklich empört: „Das weise ich in aller Schärfe zurück. Ich will keine Richtungsänderung vornehmen.“ Und dann bekennt er sich noch dazu, dass jedes Kind individuell gefördert werden soll, und spricht sich dafür aus, den Schulversuch der integrierten Haupt- und Realschule zur Dauereinrichtung zu machen. Die Zuhörer reiben sich Augen und Ohren, wundern sich über den Widerspruch zwischen Worten und Taten.

Lange gibt eine verzweifelte Vorstellung an diesem Abend. Ihm fehlen entweder die Souveränität oder die Überzeugung, seine Politik konsequent zu vetreten. Er möchte nicht kürzen müssen, er möchte gemocht werden. Und die Menschen möchten ihn eigentlich auch mögen. „Als Sie im Februar hier waren, da kamen Sie mit offenen Augen, Ohren und offenem Herzen“, erinnert sich eine Mutter.

Am Ende resümiert ein Vater: „Ein Schulsenator, der sich hinter Haushaltszwängen verschanzt, ist doch eine Pfeife. Entweder, weil er es nicht im Kreuz hat oder er keine Ahnung hat.“