Ratschläge in Tüten

Eine Ausstellung zum Schaffen des Humor-Schriftstellers Ror Wolf in Kaiserslautern

Surrealistische Collagen zeigen, dass Wolf nicht nur mit Worten kunstvoll umgehen kann

KAISERSLAUTERN taz ■ Schönen Fußball spielte der 1. FC Kaiserslautern in der abgelaufenen Saison nicht. Dafür gibt es jetzt in jener Stadt, in der Diskotheken nach ihrem Standort (A 6) benannt werden, schöne Bücher über Fußball. Noch bis Sonntag, den 7. Juli 2002, sind in der Fruchthalle Kaiserslautern sämtliche Erstausgaben von Ror Wolf ausgestellt. Kurz vor Toresschluss gibt es überdies am Samstag von 12 bis 24 Uhr den „Großen Ror-Wolf-Tag“, eine zwölfstündige Finissage, bei der vor allem die Freunde des Wolf’schen Hörspiels auf ihre Kosten kommen dürften.

Selbstverständlich beschränkt sich das Schaffen des gebürtigen Saalfelders, der nach 34 Umzügen inzwischen in Mainz lebt, nicht nur auf amüsante und intelligente Fußballliteratur und Hörspiele wie „Punkt ist Punkt. Fußballspiele“ (1971), „Die heiße Luft der Spiele“ (1980) oder „Das nächste Spiel ist immer das schwerste“ (1982). Roter Faden der Ausstellung mit dem Titel „Im Grunde rechne ich mit allem“ – einem Zitat aus Wolfs erster Erzählung „Entdeckung hinter dem Haus“ (1958) – sind die parodistischen Benimmregeln der mehrbändigen Ratschlaggeber von Raoul Tranchirer. Die Ratschläge, inspiriert durch über hundert Jahre alte Bücher wie „Die tüchtige Hausfrau“ oder „Der gute Ton in allen Lebenslagen“, stehen auf Fahnen, die von der Decke hängen, oder werden mit Dias an eine Wand projiziert. Als besonderer Gag für die Besucher gibt es die stichwortartigen Hinreichungen in Plastiktütchen zusammen mit Bonbons, Streichhölzern oder Wattestäbchen als „Ratschläge zum Mitnehmen“.

Die Gestaltung der Ausstellung haben Andrea Edel vom Kulturamt Kaiserslautern und Ivo Wessel übernommen. Mit dem Material des Berliner Softwareentwicklers, den Exponaten von zwei Literaturwissenschaftlern aus Kiel und vielen Leihgaben des Schriftstellers ist eine äußerst präzise Sammlung entstanden, die allerdings ungeeignet ist für Ausstellungsbesucher, die mit einem Kelch Prosecco in der einen und einem Canapé in der anderen Hand nicht länger als zehn Sekunden vor einer Vitrine stehen können.

Der Weg durch die Ausstellung beginnt zwar chronologisch mit den ersten Werken in der Studentenzeitung Diskus, ist aber im weiteren thematisch gegliedert. An den Wänden hängen etwa zwei Dutzend surrealistische Collagen von Wolf, der so beweist, dass er nicht nur mit Worten kunstvoll umgehen kann. Zudem finden sich gerahmte Buchcover, und die jeweiligen ersten Seiten bieten die Gelegenheit, den Text anzulesen. Wer mehr Zeit hat, kann auch sämtliche Bücher in einer Leseecke durchforsten.

„Im Grunde rechne ich mit allem“ bietet einen umfangreichen Einblick in das vielseitige Schaffen Wolfs. Wer mit seinen Arbeiten noch nicht vertraut ist, wird feststellen, mit welch großer Fantasie und subtilem Humor der Wort-Künstler zu Werke geht. Wolf-Kenner hingegen können beispielsweise anhand von Manuskripten etwas tiefer in dessen Arbeitsweise vordringen.

Ror Wolf, der am 29. Juni 2002 70 Jahre alt wurde, konnte aus gesundheitlichen Gründen an der Vernissage leider nicht teilnehmen. Angeblich sind aber wieder neue Projekte wie ein Kriminalroman und eine Autobiografie in Planung. Im Grunde rechnen wir mit allem.

CHRISTIAN JÖRICKE

„Im Grunde rechne ich mit allem“. Der Schriftsteller Ror Wolf und der Charme des Unerwarteten. Bis 7. Juli 2002 in der Fruchthalle Kaiserslautern. Mo.–Do. 9–12 und 14–16 Uhr, Fr. 9–13 Uhr. Großer Ror-Wolf-Tag am Samstag, dem 6. Juli, ab 12 Uhr. Der CD-ROM-Katalog zur Ausstellung kann bestellt werden bei: Ivo Wessel, Paul-Lincke-Ufer 8 d, 10999 Berlin, Tel.: 0700-IVOWESSEL.