Es ist nicht wie beim Fußball

Weil der Unterhalt eines Spitzenteams im Radsport in den letzten Jahren sehr teuer geworden ist, zieht sich die Firma Nürnberger zum Saisonende als Sponsor zurück

BERLIN taz ■ Wenn am Samstag in Luxemburg die Tour de France 2002 beginnt, wird wieder nur ein einziges deutsches Radsportteam, das der Telekom, am Start sein, wenn auch ohne den verletzten Abonnementszweiten Jan Ullrich. Das Essener Team Coast wurde trotz zuletzt hervorragender Ergebnisse von Zülle, Escartín und Co. erneut ebenso wenig eingeladen wie die andere Mannschaft der höchsten Kategorie GS-I, das Team Gerolsteiner. Weit entfernt von der Teilnahme an der prestigeträchtigsten Radsportveranstaltung der Welt ist das Team Nürnberger, das der Kategorie GS-II angehört. Das Vorhaben, zu den Spitzenteams aufzuschließen, hat der Sponsor inzwischen endgültig aufgegeben. Die Nürnberger Versicherungsgruppe zieht sich mit Saisonende zurück.

Zerfallen soll die Mannschaft nach Möglichkeit jedoch nicht. Nur Nürnberger ist nach den Worten von Sponsoringleiter René Müller der „Sprung zu groß“ geworden, der für die GS-I-Kategorie nötig wäre. Da will Teamchef Dieter Burkhardt im Gefolge der nationalen Konkurrenz von Coast und Gerolsteiner endlich hin und führt deshalb fleißig Gespräche mit potenziellen neuen Geldgebern. Die müssten ihre Schatulle viel weiter öffnen als die Versicherung aus der Franken-Metropole, die zuletzt gut 1,5 Millionen Euro pro Jahr in das 19 Fahrer starke Profiteam investierte. Rund das Vierfache darf es schon sein, um unter die 30 Top-Teams zu kommen. Was Nürnberger „vor unseren Kunden nicht rechtfertigen zu können“ (Müller) glaubte. Fortgeschrieben wird nur ein kleinerer Etat für das Frauenteam mit Vizeweltmeisterin Hanka Kupfernagel als Aushängeschild.

Immerhin 13 Jahre lang engagiert sich die Firma Nürnberger schon im Radsport, anfangs auf Amateurebene mit gerade mal 160.000 Mark Gesamtkosten. Dafür bekommt man heute kaum einen guten Profi. Schon 1998, verrät Müller, sei die Gleichung aus Kosten und Nutzen „gekippt“, wozu nicht zuletzt gestiegene Fahrergehälter nach Jan Ullrichs Tour-Sieg beigetragen hätten. Umso verwunderlicher, dass Nürnberger dann noch vier weitere Jahre durchhielt. „Wir haben damals sehr stark profitiert und für wenig Geld ganz tolle Werbeleistung gehabt“, begründet Müller den langen Atem. „Da verabschieden wir uns nicht gleich nach dem ersten Jahr, in dem es nicht mehr so läuft.“

Alle Versuche, danach Co-Sponsoren mit aufs Rad zu setzen, in Italien, Spanien, Belgien gang und gäbe, schlugen indes fehl. „Ehrlich gesagt: Ich wüsste auch nicht, ob ich da als Co-Sponsor reingegangen wäre. Weil Nürnberger schon dominant ist erst mal, da braucht’s Geduld für die entsprechende Werbung.“

Als alleiniger Sponsor aufs demnächst freie Jersey zu gehen, kann Müller aber trotz seines Ausstiegs und damit eigentlich als „schlechter Ratgeber“ nur empfehlen. Zumal ein Neuling habe hier „eine einmalige Chance, günstig in den Radsport einzusteigen. Da kann man ja nicht einfach aufs Trikot gehen wie im Fußball, da müssen über Jahre Strukturen geschaffen werden. Und die sind bei uns schon da.“ Ganz zu schweigen von gestandenen Profis wie Thomas Liese und großen Talenten wie Christian Werner. Die würden wie andere Fahrer auch selbst dann weich fallen, wenn sich kein neuer Geldgeber oder ein anderes Team findet. Denn Nürnberger finanziert die laufenden Verträge bis Ende 2003 auch ohne direkten Gegenwert weiter. „Das nehmen wir in Kauf, wir wollten einfach nicht, dass auch nur ein Fahrer dadurch Nachteile hat.“

Einer, der Nürnberger in all den Jahren besonders viel Freude gemacht hat, fährt ohnehin längst für die Konkurrenz. Lebhaft erinnert sich Müller an den 2. Platz von Raphael Schweda (jetzt Team Coast) beim Weltcuprennen in Hamburg 1999. Da saß der Nürnberger-Manager nämlich vor dem Videotext und hat „seinen Namen bei Platz 1 bis 10 glatt überlesen, weil ich’s nicht für möglich gehalten hatte.“ Auch auf das Profidebüt beim Traditionsrennen „Rund um den Henninger-Turm“ blickt René Müller trotz fehlender Resultate gern zurück. „Da hatte man schon das Gefühl, wir sind jetzt im richtigen Radsport dabei.“ Nach dem Oktober 2002 leider nicht mehr. JÖRG FEYER