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US-Spiel mit dem Bagdad-Feuer

Neue Irak-Invasionspläne der USA mit einem massiven Einsatz von Bodentruppen deuten darauf hin, dass sich im Pentagon die Hardliner durchsetzen. Das ist auch ein Signal an Europa, das immer noch an die Verhandlungskünste der UNO glaubt

von ERIC CHAUVISTRÉ

„Es ist die Aufgabe des Verteidigungsministeriums, Notfallpläne zu entwckeln und sie von Zeit zu Zeit zu aktualisieren“: Pentagon-Sprecherin Victoria Clarke hat gestern Berichte über konkrete US-Kriegspläne gegen den Irak heruntergespielt. Man habe lediglich eine allgemeine Planungsrichtlinie erlassen und diese zöge gewisse Aktivitäten unter den Mitarbeitern nach sich, hieß es.

Ganz so unwichtig können diese Mitarbeiter nicht gewesen sein. Denn die Planungen stammen aus dem Hauptquartier des „US Central Command“ in Florida, von wo aus der Krieg in Afghanistan geleitet wird und das auch bei einem Krieg gegen Irak die militärische Kommandogewalt hätte. Die Grundzüge des Konzepts soll, so berichtete gestern die New York Times, der Kommandeur des US Central Command bereits zweimal dem Präsidenten höchstselbst vorgestellt haben. „Wir sind schon ziemlich weit“, zitiert die Zeitung einen namentlich nicht genannten Pentagon-Beamten.

Die letzte Präsentation für den obersten Befehlshaber soll am 19. Juni stattgefunden haben. Fünf Tage später schlug sich Bush in einer Grundsatzrede zum Nahost-Konflikt eindeutig auf die Seite der israelischen Regierung und forderte die Abwahl Jassir Arafats – ein Signal, dass diejenigen unter Bushs Beratern sich durchsetzen konnten, die einem Krieg gegen Irak höhere Priorität einräumen als einer Vermittlerrolle der USA im Nahostkonflikt.

Mit dem Briefing wurde möglichweise ein interner Machtkampf unter den militärischen Planern in Washington beendet. Denn mit der Option eines massiven US-amerikanischen Truoppenaufmarsches ist der „Downing-Plan“ erledigt. Dieser, benannt nach dem stellvertretenden Sicherheitsberater im Weißen Haus, Wayne A. Downing, sah einen Sturz des irakischen Regimes nach dem „Modell Afghanistan“ vor: neben Luftangriffen und dem Einsatz von US-Spezialeinheiten die gezielte Unterstützung irakischer Kämpfer. Downing trat am 27. Juni zurück.

Die neue Indiskretion könnte außerdem von ganz oben erfolgt sein und politische Ziele verfolgen. Denn sie erfolgte, während UN-Generalsekretär Kofi Annan in Wien mit dem irakischen Außenminister Nadschi Sabri über die Wiederaufnahme der seit Dezember 1998 ausgesetzten Waffeninspektionen im Irak verhandelt – kaum ein Zufall. Mit dem Verweis auf die laufenden Verhandlungen zwischen Irak und UNO argumentierten die europäischen Verbündeten der USA bislang gegen eine Invasion. Erst in der vergangenen Woche hatte Bundesaußenminister Joschka Fischer in einem Interview gesagt, er sehe keine konkrete Gefahr einer militärischen Intervention der USA im Irak.

Die irakische Regierung dürfte sich über die Veröffentlichung hingegen freuen. Geschickt hat sie jetzt als Bedingung für die Akzeptanz neuer UN-Rüstungsinspektionen eine Distanzierung des UN-Sicherheitsrates von den Invasionsplänen der USA gefordert.

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