Sportives Eventeln

Kicken im Zeichen von „Brand-Awareness“: Ein Turnier des Real-Straßenfußballcups am Samstag in Hellersdorf

Als das Siegerfoto geschossen wird, sagt Murat frech: „Sind ja nur Zigeuner und Ausländer zu sehen.“ Der Filialleiterin des Real-Markts in Hellersdorf fällt nach Murats Einwurf fast der Pokal aus der Hand. Murat, 12, ist einer von drei kurdischen Jungs aus Wedding, die sich knipsen lassen dürfen. Sie sind Dritter geworden bei einem der zahllosen Parkplatzturniere des Real-Straßencups, der bundesweit vor Supermärkten und in einem Käfig, 10 mal 20 Meter groß, ausgetragen wird. Er hat sich für den Kick am Samstag eine Frisur wie Ronaldo zugelegt. „Geil, oder?“, fragt er kokett. Sein Team ist als „Die 3 Brasilianer“ angetreten. Sie ziehen die Hochhauskids aus Hellersdorf ordentlich ab, aber an die Show der zwei Mädchen aus Tegel kommen selbst „Die 3 Brasilianer“ nicht heran.

Die Zwillingsschwestern Sylvie und Nicole – ihre Mutter stammt aus Kamerun – holen sich den Sieg. Ein paar Burschen lassen sie in ihrer Mannschaft („Kamerun“) auch mitspielen. „Sonst wären wir nicht komplett“, sagt Sylvie trocken, die mit ihrer Schwester bei TeBe spielt. „Wir sind so gut, weil wir immer mit Jungs trainiert haben“, erklärt die 13-Jährige.

Was „Kamerun“ auf dem Spielfeld zwischen den Werbebanden zeigt, ist kurzweiliger als jedes Brasilien-Match. Sie tricksen, dass es eine wahre Freude ist. Vom Roberto-Carlos-Übersteiger bis zum vierfachen Denilson zeigen die Mädchen alles, was der WM-Konsument meist entbehren musste. Das Niveau des Finales ist erstaunlich hoch, auch wenn Silvies Trainer André Bandit sagt: „Hier spielt leider auch viel Kroppzeug mit und auf dem Asphaltbelag haste schnell mal ’nen offenes Knie.“

Die Marketingstrategen von Real preisen ihr Turnier als „die größte Eventserie dieser Art in Europa“. Event heißt in diesem Fall, dass sich die über 100 Teilnehmer am Samstag nicht nur als Fußballer, sondern auch als Konsumenten fühlen dürfen. Chips, Brause und T-Shirts mit der Aufschrift „Ich bin noch besser, als ich aussehe“ gibt's gratis, schallende Beats obendrein.

„Was auf den ersten Blick so aussieht wie die Aufwertung des Hinterhoffußballs, ist nichts weiter als das Einstimmen auf einen gnadenlos kommerzialisierten Fußball mit integrierten Einkaufsstraßen“, haben Marvin Chlada und Gerd Dembowski in ihrem Buch „Und täglich drückt der Fußballschuh“ über das sportive Eventeln geschrieben. Die TU Chemnitz hat jene Art der Werbung in einer Studie auf seine „Nachhaltigkeit für das Markenimage“ beurteilt und stellte fest, dass „die Marken deutlich näher zur jugendlichen Zielgruppe rückten, was sich anhand von Schlüsselwörtern wie sportlich, spannend und jugendlich offenbarte“.

Die Sponsoren freuten sich und drehten den Geldhahn weiter auf. Auch die Konkurrenz unternimmt große Anstrengungen, die „Brand-Awareness“ zu fördern und ganz nebenbei der hiesigen Gattung des Rumpelfüßlers den Garaus zu machen. Auf „Streetsoccer“ setzen Sprite, Coca-Cola, Nike und Adidas mit eigenen Turnierserien. Adidas arbeitet bei „Be a Champ 2006“ mit dem DFB sowie den Bundesligisten Schalke, Bayern und Leverkusen zusammen und spricht recht bescheiden von „der größten Offensive im deutschen Nachwuchsfußball“. Der Real-Cup kooperiert immerhin mit Borussia Dortmund. Die Besten des Finales, das in der Halbzeitpause eines Bundesligaspiels steigt, dürfen vor 40.000 Zuschauern auf ihre große Entdeckung hoffen.

Sylvie, Nicole und Murat hoppen von Turnier zu Turnier. Sie nehmen mit, was sie kriegen können. Der Ronaldo-Fan hat beim Nike-Cup abgesahnt. Die Zwillinge flogen im Mai auf Kosten von Coca-Cola nach Mexiko. Vielleicht qualifizieren sie sich gar für die Endrunde. Demnächst steht das Brandenburg-Finale des Real-Cups an. Ihre Mutter hat zeitgleich Urlaub gebucht. „Den wollen sie jetzt schmeißen“, sagt ihr Trainer. „Die sind heiß.“ MARKUS VÖLKER