nebensachen aus johannesburg
: Eine ungewöhnliche Initiative verschafft Obdachlosen ein bisschen Geld

Witze gegen Wechselgeld

Autofahrer in den nördlichen Vororten Johannesburgs mögen früh morgens noch gute Laune haben, aber spätestens auf dem Weg zur Arbeit ziehen sie die Mundwinkel nach unten. Der morgendliche Verkehrsstau auf den Straßen trübt bei fast jedem die Laune.

In diesem Szenario hat Ben Hadebe jeden Morgen seinen Auftritt. Meist tanzt er sich an die Wagen heran und winkt mit einem schmalen gelben Zettel: „Jokes 4 change“ (Witze gegen Wechselgeld) steht drauf. Und er schiebt ihn mit einem breiten Lächeln durch die spaltweit geöffnete Fensterscheibe. Ein, zwei Rand lässt der Autofahrer in der Regel springen. Und das sichert Ben, der seit 18 Jahren an Johannesburgs Kreuzungen bettelt, zurzeit den Lebensunterhalt. Der 51-Jährige kann jetzt seinen sieben Kindern Schuluniformen kaufen und die Schulgebühren bezahlen.

„Über einen Witz am frühen Morgen lachen zu können, ist besser als Frühstück“, meint Ben. Er ist einer von 60 obdachlosen Straßenverkäufern , die – seit es „Jokes 4 change“ gibt – ein Zusatzgeschäft machen zum sonst üblichen Verkauf von Plastikmüllsäcken und Kleiderbügeln. Die Witze jedenfalls gehen gut weg. Hinter „Jokes 4 change“ stehen Didier Bertrand und Paul Collings, ein Musiklehrer und ein Marketingfachmann. Sie gestalten die kleinen Faltblättchen mit Witzen und finanzieren den Druck durch Kleinanzeigen. Zum Selbstkostenpreis. Vielleicht liegt es daran, dass die Qualität etwas zu wünschen übrig lässt: „Im Ehestreit sagt der Mann zu seiner Frau: ,Ich war ein Dummkopf, dass ich dich geheiratet habe.‘ Die Frau erwidert: ,Ich war verliebt und habe es nicht gemerkt.‘“ Diese Kostprobe ist noch einer der besseren Witze.

Mit einem kostenlosen Startpaket lockten die Initiatoren die Obdachlosen an, gingen zu ihren Treffpunkten in Parks und Suppenküchen. Jedes Folgepaket mit 25 Broschüren verkaufen sie für ein paar Pfennige. Ben muss nur drei Witzblätter „verkaufen“, und dann hat er die 25 Blatt raus. Er verdient aber zwischen 50 und 100 Rand (100 Rand sind 10 Euro) am Tag. Und jede Woche lesen Autofahrer neue Witze aus dem Repertoire von Witzbüchern, Internetseiten und Freundeskreisen. Diese Quelle werde nie versiegen, behaupten die Macher.

Was für Südafrikas Regierung ein Riesenproblem ist, war für die beiden kreativen Unternehmer keine große Sache: Arbeitsplatzbeschaffung für die Armen. Nachdem das Projekt sechs Monate lang erfolgreich gelaufen ist, peilt das Erfinderteam eine Ausdehnung auf die Metropolen Kapstadt und Durban an. Und für innovatives Unternehmertum winkt mit ein wenig Glück auch ein Preis: Die Regierung vergibt in Zusammenarbeit mit Firmen 100.000 Rand (10.000 Euro) für gewerbeorientierte Initiativen, die Arbeitsplätze entwickeln. Der Geschäftsplan für „Jokes 4 change“ liegt der Jury bereits vor. Mitte Juli fällt sie ihre Entscheidung.

Auszeichnung hin oder her – für Ben macht das keinen Unterschied. Er tanzt weiter mit seinem Pappschild mit der Aufschrift „Jokes 4 change“ um den Hals an den Autoschlangen vorbei und sichert sich so einen Nebenverdienst. Und er behauptet felsenfest, das wütende Getue und Hupen der Autofahrer im Stau habe nachgelassen, seit er an „seinem Arbeitsplatz“ jeden Morgen Witze anbietet. Übrigens, kennen Sie den schon …

MARTINA SCHWIKOWSKI