OPFER DER BOMBARDIERUNG WERDEN NACH ZWEIERLEI MASS ENTSCHÄDIGT
: Billiger US-Todestarif für Afghanen

Die USA sind bekannt dafür, dass findige Anwälte Millionensummen erstreiten, wenn es um Schmerzensgeld oder andere Formen von Entschädigungen geht. Der Wert des menschlichen Lebens in US-Dollar fällt in der Regel umso höher aus, je heller die Hautfarbe der Kläger ist, und vor allem: je bessere Anwälte diese sich leisten können. Diese Haltung drückt sich auch in den Beträgen aus, die das US-Militär jetzt den Opfern einer irrtümlichen Bombardierung in Afghanistan zahlt. Lächerliche 200 Dollar erhalten die Angehörigen der 48 Todesopfer pro Person, die bei der Bombardierung einer Hochtzeitsgesellschaft ums Leben kamen. Die 117 Verwundeten bekommen nur 75 Dollar. Damit wird die Entschädigung weniger kosten als die Munition für diesen fatalen Angriff.

Wenn auch der Eindruck nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich die US-Buchhalter des Todes hier besonders preiswert aus der Verantwortung stehlen, so hinkt dennoch ein direkter Vergleich mit den sechs- oder siebenstelligen Summen, die in den USA bei Todesfällen gezahlt werden. In Afghanistan wurden in den vergangenen 23 Kriegsjahren so gut wie nie Opfer entschädigt – weder von den Sowjets noch von den Mudschaheddin oder Taliban. So zynisch es klingen mag: Angesichts dessen sind 200 Dollar ein Fortschritt. Und zwar nicht nur für Afghanistan, sondern auch für die USA. Sie hat zwar auch in früheren Fällen schon Entschädigungen überwiesen, aber in weitaus mehr Fällen eben nicht.

Dass Washington jetzt gezahlt hat und sogar noch Soldaten mit Hilfsgütern schicken will, dient auch der Propaganda und damit militärischen Zwecken: Die Afghanen sollen die USA als Befreier und nicht als neue Unterdrücker wahrnehmen. Was bleibt, ist die Frage, wie Entschädigungen festgelegt werden sollen, wenn westliche Vollkasko-Mentalität und eine Subsistenzgesellschaft aufeinander treffen, in der Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen. 200 Dollar sind dort für viele mehr als ein Halbjahresverdienst. In den USA allerdings würde sich kaum jemand damit zufrieden geben. SVEN HANSEN