Kuriose Geschäfte

Geschätzte Honorarforderungen, kreuz und quer verliehenes Geld fremder Eigentümer, Pleite? Ein Steuerberater steht wegen Verdachts der Untreue vor Gericht. Ihm droht das Ende der Zulassung

Menschliche Dramen haben mitunter solide Auftritte. Graue Haare, Anzug, Krawatte. Nur das gerötete Gesicht und die kontrolliert aneinander gedrückten Fingerspitzen verrieten gestern die Spannung hinter der spröden Fassade des wegen 21-facher Untreue vorm Amtsgericht angeklagten Bremer Steuerberaters Hartwig B.

Der 55-Jährige steht nach 27 Jahren als Steuerberater vor einem Scherbenhaufen. In seiner Eigenschaft als Vermögens- bzw. Grundstücksverwalter soll er nach eigenem Ermessen und zum Schaden seiner Kunden rund 278.000 Mark aus deren Vermögen verliehen und zweckentfremdet haben.

Für den Mann geht es um die berufliche Existenz, wenn man ihm bösen Willen nachweist. Doch die Entziehung der Zulassung drohte schon, wenn er pleite wäre. Vermögensverfall heißt der Begriff, der andeutet, dass Bankrotteure die Finanzinteressen anderer nicht ausreichend wahren können. Bereits jetzt steht Hartwig B. für eine Bürgschaft über eine Million Mark in der Kreide. Weitere beträchtliche Zahlungen kommen auf ihn zu.

Die Misere des Bremers begann vor sechs Jahren – zeitgleich mit der Trennung von seiner Ehefrau, wie der Richter später erfährt. Ans Licht kam die Sache vor zwei Jahren – als KundInnen von Hartwig B. bei der Steuerberaterkammer Alarm schlugen: Die Investoren eines drei Millionen Mark schweren Abschreibungsprojektes waren aufgeschreckt, nachdem Hartwig B. außer den rund 19.000 Mark an jährlichem Verwaltungshonorar zusätzlich 70.000 Mark auf das Konto seiner Sozietät überwies. Rückwirkend, für mehrjährige „Sondertätigkeiten“ für das an die Celler Polizei vermietete Gebäude. Kurz vor dem Ende der Gewährleistungspflicht sei viel Arbeit angefallen, versuchte der Angeklagte gestern seine Forderungen zu begründen, deren Höhe er Jahre später „rekonstruiert“ habe. „Geschätzt“, rügte Richter Hans Ahlers – zumal die Summe unterschiedlich tituliert wurde, mal als „Honorarvorschuss“, mal als „kurzfristiges Darlehen“.

Eins von vielen Darlehen, die der Steuerberater fast notorisch als Grundstücksverwalter über mehrere Jahre hinweg eigenwillig aus dem Celler Vermögen gewährte: 10.000 Mark an einen klammen Ingenieur, der das Abschreibungsobjekt Polizeigebäude technisch betreute – ohne unterzeichneten Vertrag. Weitere rund 20.000 Mark für die Hausrenovierung einer alten, vermögenden Freundin seiner Mutter, (ein Betreuungsfall). „Ja, ich hätte auch über das Vormundschaftsgericht an das Geld kommen können“, nickte der Angeklagte. Doch das Celler Vermögen habe sich als „kürzester Weg“ angeboten. Das sei nicht zum Nachteil der unfreiwilligen Kreditgeber gedacht gewesen. Ebenso wenig wie der Kredit über 98.000 Mark, die der Steuerberater vom Celler Konto in ein von ihm verwaltetes Gebäude am Breitenweg steckte – „zum Vorteil für beide Eigentümer“, so der Angeklagte. Die einen erhielten einen günstigen Darlehenszins, die anderen mehr als die üblichen zwei Prozent für die Anlage – wäre es zurückgezahlt worden.

Immer wieder räumte der Angeklagte gestern ein: „Das war ein Fehler. Eine Nachlässigkeit. Das hätte nicht geschehen dürfen.“ Warum es doch geschah und der Steuerberater auch weitere Summen in erfolglose Firmen steckte, an denen er selbst beteiligt war – das blieb gestern offen. „Warum macht ein erfahrener Steuerberater sowas?, schüttelte der Richter immer wieder den Kopf. Heute wird er ein Urteil sprechen. ede