Ein Scherz plumpst von der Bühne

Dröge, aber begeistert: Das Publikum in der Worpsweder Music Hall hörte den Blues in vielen Schattierungen – von Robert Cray samt wunderbarer Band. Jim Pugh spielte ein Piano zwischen Spinett und Kneipenklavier

Vielen Blues-Puristen ist er zu glatt, bewegt sich zu wendig zwischen den Stilen, vermischt Soul, Gospel, R & B allzu beliebig und steuert zu sehr in Richtung Mainstream. Deshalb waren wohl einige auch gar nicht erst gekommen, ins Konzert von Robert Cray in die Music Hall in Worpswede. Die war zwar gut gefüllt, aber längst nicht ausverkauft – während bei anderen Größen wie Chris Farlowe, Leo Kottke und sogar dem abgehalfterten Paul Young das Publikum dicht gedrängt vor der Bühne stand.

Schade, denn da haben viele etwas versäumt. Dabei ist es doch allgemein bekannt, dass man gerade Bluesmusiker nicht nach ihren CD-Produktionen be- oder gar verurteilen sollte. Live klang der Gitarrenspieler und Sänger aus Columbus, Georgia, viel rauer, authentischer und intensiver als auf seinen Tonkonserven, vielleicht hatte er auch gerade einen guten Tag. Sicher ist, dass er am Mittwochabend einen souveränen, mitreißenden Auftritt ablieferte.

Das Schöne und Tröstliche am Blues ist ja, dass man alles schon kennt: „I feel bad, I feel terrible!“, „She‘s gone“, the „Lady with High Heels“, „I can hear a couple fighting next door“, das sind die altbekannten Versatzstücke, aus denen Robert Cray wie alle anderen Bluesmusiker seine Songs bastelt. Auch seine singende, manchmal leidenschaftlich schluchzende und dann wieder bockig, rockig aufbegehrende Gitarre ist ein alter Bekannter.

Der Witz liegt in den Variationen, den Zwischentönen und auch in der Dramaturgie. Cray ging sehr spielerisch mit den Bluesklischees um, manchmal schien er sie fast schon zu parodieren. Und wenn man meinte, er würde sich voll und ganz in eine Bluesstimmung fallen lassen, wechselte er oft schnell von smooth zu heavy, von sanft zu brachial.

So gelang es ihm, sein Publikum immer wieder zu überraschen. Und Robert Cray ist einer von den virtuosen Instrumentalisten, die ihre Technik nicht ausstellen, sondern sie fast unsichtbar werden lassen. Alles schien ihm einfach von der Hand zu gehen. Wie wandlungsfähig, elegant und melodisch einfallsreich er spielte, wurde einem so richtig erst nach dem Konzert bewusst.

Dabei stahl ihm aber einer seiner drei Begleitmusiker fast die Show. Der Keyboarder Jim Pugh ließ sein Piano mal wie ein billiges Kneipenklavier scheppern und dann wie ein barockes Spinett erklingen. Wirklich zur Sache ging er aber an der Hammond-Orgel (oder besser dem so programmierten Keyboard), auf der er wunderbare Soul-Choräle hämmerte und mit seinem warmen, reichen Sound an den legendären Jimmy Smith erinnerte.

Manchmal schien Robert Cray etwas irritiert über das norddeutsch reservierte Publikum zu sein (er blickte wirklich erstaunt, als einer seiner Scherze zwischen zwei Stücken wie tot von der Bühne plumpste), aber spätestens beim enthusiastischen Schlussapplaus (nach dem Cray drei Zugaben gab, was, laut Roadmanager, sehr selten ist) ist ihm wohl klargeworden, dass hier der Blues vielleicht etwas dröger als anderswo, aber dennoch begeistert genossen wird.

Wilfried Hippen