Sand – gerüttelt, nicht gebacken

200 Jahre Seebad Travemünde: Sandiger Skulpturenpark als Attraktion einer Sommerfrische, die in die Jahre gekommen ist. Aller Event-Kultur zum Trotz ist hier noch immer Beschaulichkeit und klassische Erholung verordnet

von JULIA KOSSMANN

Sand, Eimer, Schaufel, Förmchen – mehr braucht es nicht, um am Strand fröhlich kreativ drauflos zu kleckern. Geklotzt haben 75 Sandbildhauer in den vergangenen Wochen in Travemünde für den Skulpturenpark Sand World. Zur Feier des 200. Jubiläums des Seebads Travemünde zeigen die riesigen Skulpturen auf 15.000 Quadratmetern 27 Szenen aus der Geschichte der Hansestadt Lübeck inklusive prominenter Gestalten wie Klaus Störtebeker und Thomas Mann. Das erste Unwetter haben die Bauwerke aus festgerüttelten Sandkörnchen bereits überstanden, bis Windstärke 7 sollen sie standhalten.

Im Sommer aber geht es meist geruhsam zu in Travemünde. Hier ist wie eh und je Erholung verordnet, man genießt Strand, Sonne und Seeluft und denkt mitunter, dass sich an diesem einfachen Vergnügen seit 200 Jahren wenig geändert hat – auch wenn man sich damals noch im Badewagen in die Fluten schieben ließ. Heute darf, wer mag, auf dem Priwall oder am Brodtner Ufer nackt baden, in legerem Outfit flaniert man gerne auf der Vorderreihe oder der Strandpromenade. Nur im Casino wird noch immer etwas auf die Garderobe geachtet.

Einst erholten sich hier Thomas Mann, Clara Schumann oder Kaiser Wilhelm II. Der durfte übrigens 1894 auf seiner Yacht die Regatta zur 5. Travemünder Woche gewinnen – bei völliger Flaute, woher der Begriff Kaiserwetter rühren mag. Und das mögen die Sommerfrischler, die sich in Ferienwohnungen, Pensionen, auf Booten oder im Luxushotel einnisten, noch immer. Viele Tagesausflügler reisen mit der Bahn direkt bis Travemünde-Strand an, und der Fährschiffhafen spült täglich Durchgangstouristen in das Städtchen an der Travemündung.

Neben Strand und Sonne gibt‘s auch in diesem Jahr Anlässe für Ausflüge wie Sand am Meer: Travemünder Woche, die Sail, Open-Air-Kino, Strand-Theater, Baltic-Man-Triathlon, Altstadt- und Lichterfest sorgen für Unterhaltung. In der Betriebsamkeit solcher Groß-Ereignisse ist der mondäne Charme der frühen Jahre verblichen. Noch immer aber findet man irgendwo Ruhe, um das Familienleben oder den zweiten Frühling in aller Beschaulichkeit zu genießen. Dann lässt man den Sand durch die Hand rieseln und träumt davon, dass die Welt noch in Ordnung sei – oder aber man vergnügt sich an gesundem Misstrauen in die Idylle.

Sand World 2002: Travemünde, Priwall-Strand, bis 25. August; Eintritt (inklusive Übersetzen mit der kleinen Priwall-Fähre): 5,50 Euro, Kinder: 4 Euro; Öffnungszeiten: Mo - Do 10 bis 23 Uhr, Fr - So sowie zur Travemünder Woche (19. - 28. Juli) und der Sail Travemünde (22.-25. August) 10 bis 24 Uhr. Das komplette Jubiläumsprogramm „200 Jahre Seebad Travemünde“ im Internet: www.luebeck-tourismus.de