Rundfunk als Tanzfläche

House, Elektro-Pop und Emocore für den Erhalt einer kritischen Stimme: Studio F-Party des „Freien Sender Kombinats“ auf den drei Ebenen der Roten Flora – auch ein Zeichen gegen innerlinken Irrsinn

von ROGER BEHRENS

Die Idee eines Gallischen Dorfes namens Schanze war Ende der neunziger Jahre längst kein akzeptabler Standpunkt restlinker Politik mehr; eine Destrukturierung, die aus der Atmosphäre besserer Überlebensbedingungen für die Deklassierten mittlerweile Flair und Chic gemodelt hat. Reclaim the Streets heißt jetzt das Elend der Straße als Schaubühne, die Attraktion, die Auf- und Absteiger der New Economy von der neuen Piazza aus genießen dürfen. Renovierter Altbau wird „mit Balkonblick auf die Rote Flora“ angeboten.

Doch die inszenierte Idylle trügt, Soft-Skills wie Konkurrenz und Leistung beschleunigen die Talfahrt der Ich-Aktien, langsam wird‘s für alle ungemütlich. Das erfordert offensive Solidarität, die etwa die beiden wichtigsten Projekte der Hamburger Linken der letzten Dekade seit eineinhalb Jahren praktizieren: Rote Flora und das Freie Sender Kombinat (FSK); eine Allianz zwischen zwei politischen Strategien. Es sind dies zwei Formen der politischen Praxis, nämlich einerseits die Präsenz, die Konzentration, die Besetzung des Raumes, die Verteidigung der Grenzen; andererseits die Frequenz, die Schaffung des Raumes, die Flüchtigkeit des Äthers.

Seit Anfang 2001 hat das FSK eine Vollfrequenz und sendet auch sonntags. Den Erfolg mit den Gefährdeten teilen, hieß die Lösung, deshalb zieht nun sonntäglich eine kleine Karawane mit Technik-beladener Sackkarre vom FSK in die Rote Flora, um dort von einem improvisierten Studio F aus zu senden. Ein ganzes Studio wird daübers Schulterblatt geschleppt und in der Flora eingerichtet; eine nicht immer stabile Telefonverbindungsorgt für die Übertragung aus den Roten Räumen, die oft noch im Dunst des morgentlichen Alkoholnebels liegen. Jeden Sonntag gibt es dann von den Female Machos, dem Kaderfrühstück und vielen anderen Berichte und Beiträge über Rassismus, Migration, Antisemitismus, Sozialpolitik und dergleichen.

Um diese „institutionalisierte Reflexion“ noch beständiger zu machen, um zum Beispiel bessere technische Bedingungen in der Flora einzurichten, wird jetzt gefeiert: Am heutigen Sonnabend auf drei Ebenen. Neben Videomitschnitten des Ligna-Radioballetts gibts Elektropop, aufgelegt vom Glow Girls-DJ-Team, House von DJ Luka Skywalker, Ska von Upsetting Station, Latin und Salsa von Sonido Bestial. Außerdem Emocore und Punk mit Support Your Local Squat & Friends sowie Rentekk (House) und Mrs. P. (Elektrotrash). Es wird Zeit, abermals den Beweis anzutreten, dass immer noch die Linke die besseren Partys hat. Wozu gehören mag, den Rundfunk zur Tanzfläche auszubauen, als Standpunkt.

Position zu beziehen meint in diesem Fall im Übrigen auch, darauf verweisen die Party-Veranstalter im Vorfeld, die derzeitigen Kontroversen innerhalb des FSK nicht auszublenden, sondern sie transparent zu machen: Überschattet wird dann so ein Erfolg wie das Studio F von abermals geäußertem Antisemitismus einer Radiogruppe und ihrem Versuch, ein Sendeverbot mit Prügel zu durchbrechen.

Man darf die Party daher auch als Zeichen gegen innerlinken Irrsinn begreifen, Tanzen gegen die Dummheit, vor der das Etikett „links“ auch nicht schützt. Nicht eines gewissen Aberwitzes entbehrt, dass diejenigen, die jetzt im Rahmen der besagten Debatte von Zensur sprechen, mitunter ähnliche Parolen ins Feld führen wie die, mit denen die offizielle Politik mittlerweile auch linksalternative Projekte wie die Rote Flora bedroht. Deshalb ist die Party selbst Solidarität, um so mit dem Studio F auch eine Stimme der kritischen Linken zu sichern.

Sonnabend, 22 Uhr, Rote Flora