Beckhams blonder Bürzel billig auf die Birne gebürstet

Um einen neuen Haarschneide-Automaten auf dem Markt einzuführen, hat ein koreanischer Elektronikkonzern geheime Werbeverträge mit WM-Fußballern geschlossen

Das nette Wesen am Empfang blickt kurz auf den Monitor: „Nummer vier wird gleich frei. Sie können solange an der Bar Platz nehmen.“ Ein bisschen Mut kann nicht schaden. Und die Einrichtung des neuen Etablissements in den Hamburger Alster-Arkaden erinnert eher an ein Turbo-Bräunungscenter als an einen Frisiersalon. Parkettboden, Ikea-Möbel, Punktstrahler und Topfpalmen. Die in zwei engen Reihen aufgestellten Kabinen sehen aus wie moderne Passbildautomaten im Kaufhaus – mit Digitalkamera und Monitor, auf dem man das Bild sehen kann, bevor es ausgedruckt wird. Nach ein paar Minuten öffnet sich der Vorhang von Nummer vier. Heraus kommt ein junger Mann, der so aussieht, als sei er gerade aufgestanden und noch ungekämmt – das aber äußerst perfekt. „So, bitte“, haucht das Wesen vom Empfang, „suchen Sie sich was Schönes aus.“

Es ist ein bisschen eng in der Kabine. Aber was will man für 6,95 Euro erwarten, und schließlich wird man auch nicht vollgequatscht. Nach ein paar Sekunden erscheint das eigene Konterfei auf dem Monitor, aufgenommen von der eingebauten Kamera. Daneben ein paar Frisurkategorien zur Auswahl: „klassische Kurzhaarschnitte“, „jugendlich/modern“ und – mit einem grellbunt blinkenden „Neu!“ verziert – „Fußballstars“. Das ist interessant, also tatscht der Zeigefinger genau da drauf. Schließlich hat der koreanische Elektrokonzern HyunHype mit der Markteinführung des „HyperCut“ gewartet, bis die Fußball-Weltmeisterschaft vorüber ist: Wer aussehen möchte wie sein Fußballstar, hat auch Vertrauen in einen Frisierautomaten. Es ist kein Zufall, dass zur WM 2002 ein paar brasilianische, amerikanische, englische, deutsche und türkische Fußballer mit exotischen Frisuren aufliefen. Sie alle hatten bislang geheime, hochdotierte Werbeverträge mit HyunHype. Und nun erscheinen Fußballerköpfe zur Auswahl auf dem Monitor: Ronaldo mit seinem Schädeldreieck, Beckhams Bürzel und Christian Ziege als Breitband-Mohikaner – ersatzweise Umit Davala für die türkischen Kunden. Der Nigerianer Taribo West fehlt jedoch, seine kunstvollen Dreadlock-Antennen sind maschinell einfach nicht herstellbar. Tante Käthes Minipli und die Prinz-Eisenherz-Frisur von Günter Netzer fehlen ebenfalls: keine Zielgruppe. Dafür ist Carsten Jancker im Angebot für nur 5,95 Euro. Eine Glatze ist ja schnell zu machen.

Besser scheint jedoch, erst mal „Beratung“ auszuwählen, da errechnet das Maschinchen die Idealfrisur anhand von Kopfform und Haarlänge. Der tropisch-pflegeleichte Vorschlag strahlt „natürliche Eleganz“ aus und setzt auf „transluzente Leichtigkeit“. Schlimm, was der Computer da so quatscht. Aber egal, der eigene Kopf sieht auf dem Bildschirm trotz neuer Frisur ganz vertraut aus, deshalb soll’s das sein. Und zwar jetzt!

Von hinten schiebt sich eine U-förmige Plastikschale um den Hals, mit einem breiten Schlauch am Ende. Damit wird der Abfall abgesaugt: Waschwasser, Haare, einfach alles. Von oben senkt sich eine Glocke über den Kopf. Die feinen Düsen im Inneren sprühen nicht wirklich, sie benebeln die Haare mit einer milden Waschlotion. Erstaunlich: Augen und Gesicht bleiben verschont. Ein markantes Geräusch, und tausend Gummitentakel massieren die Speziallösung in die Kopfhaut.

Nun wird’s spannend: Langsam senkt sich ein Gestell, an dem Rundbürsten zu rotieren beginnen. Wie in einer Autowaschanlage, nur viel kleiner. Geschnitten wird mit mehreren kleinen Apparaturen, die aussehen wie der Langhaarschneider am Rasierapparat. Muss man davor Angst haben? Nein, der Erste-Hilfe-Schrank draußen ist sicher nur eine Auflage der Gewerbeaufsicht. Ein paar Minuten lang rattert und rotiert die Konstruktion, Strähnen werden minutiös von unten nach oben, von vorn nach hinten von Rundbürsten angehoben und schräg abgesäbelt – und selbst als sich der Kopf aus Unachtsamkeit ein wenig zur Seite neigt, wird er dezent zurechtgerückt. Auch die bei Friseuren stets gefährdeten Ohren werden für einen Moment ganz sanft nach vorn gedrückt, um dahinter schneiden zu können.

Plötzlich werden Bürsten und Schneide-Apparat ganz langsam. Nur noch ein paar kleine Korrekturen, die jeder Friseur macht. Ein bisschen hier, ein bisschen dort. Dann kommt der Fön in Form einer ganz normalen Trockenhaube.

„Sind Sie zufrieden?“ Das Wesen vom Empfang lächelt leicht spöttisch. Offenbar hat es großen Spaß an der Unsicherheit der Kunden. Doch der Blick in den Spiegel zeigt: Ja, die Frisur ist in Ordnung. Die 6,95 Euro und die Viertelstunde Angst sind es allemal wert. Dem „HyperCut“ gehört die Zukunft.

DIETER GRÖNLING