zahl der woche
: Finanzminister rechnen ihre Defizite schön

Sparen ohne zu sparen

Was hat ein Finanzminister mit dem Vorstand von Enron (Merck, Vivendi …) gemeinsam? Beide bemühen sich um eine ausgeglichene Bilanz. Notfalls mit Tricks. Die Firmenchefs tun das, um den Kurs der eigenen Aktien, mit denen sie selbst oft reichlich eingedeckt sind, in die Höhe zu treiben. Der Finanzminister, so er Finanzminister in einem Euro-Land ist, tut das, weil er eine Zahl vor Augen hat: drei. Über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – das ist die Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen – darf die Neuverschuldung nicht steigen. Sonst drohen dreistelllige Millionenstrafen aus Brüssel.

Dieses Jahr könnte die Drohung erstmals konkret werden. Portugals neue Schulden betragen fast vier Prozent des BIP. Frankreich und Italien kündigten schon mal an, dass sie ihre Sparziele wohl nicht erreichen werden. Auf einem Treffen der EU-Finanzminister vergangene Woche in Brüssel rügte Währungskommissar Pedro Solbes: „Die Defizite sind zu hoch.“ Es müsse „das Nötige“ getan werden, um nächstes oder übernächstes Jahr ausgeglichene Haushalte zu erreichen.

Einige Finanzminister scheinen darunter vor allem Bilanzkosmetik zu verstehen. Italiens Giulio Tremonti hat zukünftige Erträge aus der Lotterie bereits als sichere Einnahmequelle verbucht, berichtet die europäische Prüfungsbehörde Eurostat. Auch in Griechenland, Österreich, Finnland und Irland entdeckten die Kontrolleure Bilanztricks. Die Griechen stellten auf ihre Haben-Seite künftige Einnahmen aus Wertpapieren, aus dem Glückspielgeschäft und 355 Millionen Euro an erwarteten Zahlungen der Brüsseler Flugsicherungsbehörde. In Deutschland prüft Eurostat derzeit, ob sich hinter der bundeseigenen „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb“ (GEBB) ein Schattenhaushalt für Herrn Scharping verbirgt. Die Prüfer argwöhnen, die GEBB helfe dem Verteidigungsminister mit Grundstücksgeschäften bei derAufstockung seiner Mittel.

Damit künftig mehr Disziplin herrscht, hätte die Kommission gerne eine Regelung, nach der sie die Haushaltsentwürfe der Mitgliedsländer schon vor den jeweiligen Parlamenten zu sehen bekommt. Doch bislang wehren sich die Finanzminister dagegen. Ihr Argument: Die Verabschiedung des Haushalts gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Parlaments. Das will sich nicht von einer Brüsseler Behörde hineinreden lassen.KATHARINA KOUFEN