berliner szenen Im Waschcenter

Der Scheinleser

„Scheinleser“ stand über dem Schlitz, der die Scheine aufnehmen soll. Zum Schein las ich, um unauffällig die peinlichen Bemühungen des herbeitelefonierten Notdienstes beobachten zu können. Es betraf ja nicht mich, nur das amerikanische Pärchen, dessen Wäsche in der Maschine gefangen war. Der Automat hatte zwar den Schein akzeptiert, dies aber nicht durch eine Guthabenanzeige belohnt. Nun stand der störrische Automat zur Strafe offen und wurde vom Notdienst mit dem Autoschlüssel traktiert.

Der Mann sah aus, als wäre er lieber DJ geworden, auf keinen Fall aber Waschsalon-Notdienst. Nachdem der Schlüssel keine Wirkung gezeitigt hatte, fragte er in die Runde nach einem spitzen Gegenstand. Eine Frau hielt ihm ihr Strickzeug hin, mit dem er nun im Scheinleser pokelte, wobei ihm die Sicht von dem halbfertig an den Nadeln baumelnden Pullover verhängt war.

Als auch dies nichts brachte, betätigte er den Hauptschalter. Der Automat blinkte kurz, dann standen alle Maschinen still. Jeder eilte zu seiner halbfertigen Wäsche. „Jetzt ist alles aus“, rief jemand mit übertriebenem Pathos. „Soll ja auch“, meinte der Notdienst, ordnete den Kabelsalat am Automaten, blies ein paar mal über die Stecker und schloss das Gerät mit der Diagnose „Scheißwaschpulver.“ Als wäre das die Losung gewesen, trat nun ein, was niemand mehr erwartet hatte: Der Scheinleser summte, die Anzeige bestätigte Geldempfang, die Maschinen machten da weiter, wo sie aufgehört hatten. Und ich las nun wirklich den ersten Satz: „Einem ihn anbettelnden Hund gab er ein Stück Brot, das zuerst verschmäht, hernach aber, in Erwägung vielleicht, dass eine Begrenzung dem Begnügen mit einem Nichts vorzuziehen sei, gutgeheißen und artig verzehrt wurde.“ TOBIAS HERING