Pack die Kabel ein

Mit Gabelstaplern und LKW klauen Diebe tonnenweise Altmetall von Schrottplätzen und Betriebsgeländen. Die Aufklärungsquote ist gering, die Beklauten mauern sich ein

Sie kommen bei Nacht und mit dem LKW. Hebeln das Tor mit dem Wagenheber auf, setzen den Gabelstapler in Betrieb oder legen selbst mit Hand an, um Kabelrollen, Autofelgen, oder – wie jüngst auf dem Bremer Güterbahnhof – ganze Eisenbahnschienen auf ihre Transporter zu hieven. Verrückt? Schrotthändler Uwe Hirsch: „Keineswegs, die Diebe wissen eben, was das Zeug wert ist.“

22 schwergewichtige Schrottdiebstähle zählte das niedersächsische Landeskriminalamt im letzten Jahr, drei waren es allein in Bremen im letzten Monat. Tonnenweise verschwindet Altmetall aus Containern, von Baustellen und von Schrottplätzen – und das nicht nur hierzulande. Auch das Landeskriminalamt in Stuttgart bestätigt: „Seit ein bis zwei Jahren kommt das immer wieder vor.“ Die Täter, so haben die Ermittler herausgefunden, arbeiten immer in Gruppen und bereiten ihre Coups sorgfältig vor: „Die schauen tagsüber, wo was liegt, und kommen dann nachts, um es abzuholen.“

Das Geschäft lohnt sich: Der Marktpreis für Kupfer liegt aktuell bei rund 2.000 Euro pro Tonne, Aluminium, das sich nach Beobachtungen des Stuttgarter Landeskriminalamts zur Zeit besonderer Beliebtheit erfreut, bringt etwa halb soviel, und auch die 25 Tonnen Zinklegierung, die vor einer Woche von einem Firmengelände in Osterholz-Scharmbeck entwendet wurden, waren rund 26.000 Euro wert. Selbst einfacher Stahl, Marktwert etwa 50 Euro pro Tonne, scheint bei den Langfingern noch begehrt zu sein. „Dass Eisenbahnschienen geklaut werden, kommt schon mit einer gewissen Regelmäßigkeit vor“, so Florian Harm vom Bundesgrenzschutzamt Hamburg.

Beinahe jeder Schrotthändler weiß von Einbrüchen zu berichten. Dreimal haben sich die Metallklauer in den letzten Jahren auf Hirschs Schrottplatz am Hemelinger Hafen bedient, der Schaden ging in die Zehntausende. Dann verstärkte der Händler das Eingangstor, zog die Zäune höher und baute eine moderne Alarmanlage ein: „Die wertvolleren Metalle fahre ich jetzt abends in die Halle rein.“

Die Aufklärungsquote bei den Großdiebstählen ist gering. Auch bei den drei Bremer Diebstählen – Eisenbahnschienen, Zinkblöcke und Aluminiumkabel – sind die Ermittlungen noch nicht weit gediehen. Hirsch weiß: Einmal geklautes Material wiederzufinden, ist fast unmöglich. Im Gegensatz zu gestohlenem Schmuck nämlich ist geklauter Schrott kaum identifizierbar, die Langfinger mit dem Lkw können ihre Beute einfach beim nächsten Händler wieder verscherbeln. „Der geklaute Schrott sieht ja aus wie jeder andere Schrott auch“, sagt Hirsch: „Ob der aus Hamburg oder München stammt, das sehe ich nicht.“ Zwar hat er nach den Einbrüchen immer seine Branchen-Kollegen in der Umgebung verständigt. Illusionen aber macht er sich nicht: „Die Diebe fahren das Zeug auch weiter weg.“

Wenn Hirsch selbst Altmetall von „fliegenden Händlern“ aufkauft, lässt er sich schriftlich bestätigen, dass sie das Material rechtmäßig erworben haben – eine Formsache, denn nachprüfen lassen sich die Angaben nicht. Ob auch er bereits für Diebesgut bezahlt hat? Ausschließen will der Händler das nicht: „Das kann jedem passieren.“

Armin Simon