Der porentiefe Schattenmann

Das Wahrheit-Wahlporträt. Heute: Joseph Fischer (Die Grünen), Bundesaußenminister

Als Außendeutscher und Vizeführer steht der Oberfischer im Zenit der grünen Sonne

Glaubt man den Prognosen der politischen Beobachter unter den Wahlauguren, so droht das Damoklesschwert des freien Urnengangs auch den grünen Oberfischer zu Fall zu bringen. Dabei ist der beispielhafte Nachkriegsweg dieses Mannes, der in den Siebzigerjahren als Joseph Dschindschichaschwili Fischer Furore machte und in den Neunzigern als Joschka Seriösophil Fischer im Schoß des Rechtsstaats endete, geradezu beispielhaft für die Nachkriegsgeneration:

1948: Am 12. April kommt er als Sohn eines Tiermetzgers lebend zur Welt, bzw. in Gerabronn. Doch schon bald hat Fischer genug von einem Dasein in den heimischen Wurstkesseln.

1968: Fischer zieht nach Frankfurt. Er liest viel, schläft aber meist vorher ein. Mit dem Kassettenrekorder geht er in die Universität, um Vorlesungen mitzuschneiden. Aber dann hört er doch lieber mitgenommene Rock-Kassetten ab. Am Ende bleibt er einfach zu Hause und dreht alle Regler nach rechts.

1969: Fischer beschließt, Systemveränderer zu lernen. Er fordert freien Zugang zu den sexuellen Ressourcen der Gesellschaft und will eine super gerechte Society. Messerscharf analysiert Fischer: „Hinter der Maske des bürgerlich-kapitalistischen Staates steckt nichts anderes als der bürgerlich-kapitalistische Staat ohne Maske!“ Zusammen mit Franzosenscholli Daniel Cohn-Bendit zieht Fischer durch die langen Kneipennächte und agitiert die revolutionären Massen in die Betten der Weiber.

1970: Fischer ist „Revolutionär und kein Demokrat“. In für jedermann offenen Debatten diskutieren die Genossen ihre diktatorische Politik und setzen sie undemokratisch kollektiv in die Tat um. Bald gründet Fischer die Putzgruppe. Ihre Aufgabe: Agenten des Kapitals an den Sackhaaren aus der Wohnung ziehen, Schergen einen Denkzettel in die Weichteile treten, Polizeiautos beleidigen. Immer mit dabei: Krawalldodo Cohn-Bendit.

1977, Herbst: Fischer erkennt, dass er gar nicht in Mogadischu oder Stammheim ist, sondern gemütlich in seiner Frankfurter WG poft, und vollzieht eine geistig-moralische Rolle rückwärts auf den Boden der Ordnung. Als Taxifahrer hat Fischer das Ohr am Arsch der Gesellschaft und merkt: Das Volk will nicht von sich selbst befreit werden. Fischer lernt, dass man die Gesellschaft nur mit langem Auge und gestrecktem Atem verändert.

1982: Gerade rechtzeitig vor deren Einzug in den Bundestag tritt Fischer den Grünen bei. Mit dem Instinkt des Fleisch werdenden Machtpolitikers räumt der radikale Pragmatiker fortan jeden Gegenspieler vom Tisch. „Onkel Bambule“ Cohn-Bendit hilft ihm dabei.

1985: Nach 37 Jahren auf der schiefen Bahn erhält Joseph Fischer die Chance zur Resozialisierung und kriegt auf Bewährung zwei Jahre als Hessischer Umweltminister.

1989: Realo Fischer rät seinen Parteifreunden, die Finger von grüner Politik zu lassen. Auf nie geklärte Weise verschwinden Jutta Ditfurth und Thomas Ebermann von der Bildfläche. Jahre später findet man ihre politischen Leichen zerstückelt, angefressen und verwest – niemand weiß bis heute, was aus ihnen geworden ist. Fischers gehorsamer Diener, „Monsieur Kaputt“ Cohn-Bendit, schweigt, ist also unschuldig. Auch am Tod Petra Kellys? Offiziell gilt Gert Bastian als Killer. Wer aber hat ihn dafür bezahlt, erst sich und dann seine Lebensgefährtin aus dem Weg zu räumen?

1991: Wieder wird Fischer Hessens Umwelt. Öffentlich prügelt er sich mit Bundesumweltminister Töpfer, das gemeinsame Bier hinterher gibt Fischer aus.

1996: Fischer wiegt 50 Zentner und muss jeden Morgen mit einem Kran aus seinem Appartement in den Bundestag gehievt werden. Er beschließt, seine Ernährung umzustellen. Statt Kapaun, kandiertem Zuckerguss und Schmalztorte mit Butterstücken in Pandafett und Olivenöl zum Frühstück gibt es ab sofort trockenes Holz zu essen. Der Genussmensch Fischer lebt auf dem Zahnfleisch.

1998: Seit dem 27. Oktober steht Fischer als Außendeutscher und Vizeführer im Zenit der grünen Sonne. Beim Antrittsbesuch in Washington stimmen die wichtigsten Staatsmänner des Globus die Instrumente der Weltpolitik aufeinander ab. Der heute vergessene US-Präsident Bill Clinton bläst Saxophon, Tony Blair spielt die zweite Geige und Fischer singt dazu das Loblied der internationalen Staaten- und Wertegemeinschaft.

2002: Die Weltwirtschaft wirft einen Schraubenschlüssel ins Getriebe der Politik. Doch obgleich es manchmal scheint, als habe sich die Koalition das Gehirn ausgerenkt: Joseph Fischer arbeitet weiter daran, den weltweiten Schatten Deutschlands porentief weiß zu waschen. Ob er allerdings nach der Bundestagswahl am 22. September sein Lebenswerk vollenden kann, weiß zur Stunde niemand. PETER KÖHLER