Knüppel raus in Paris

Die französische Rechtsregierung stärkt im Schnellverfahren Justiz und Polizei

PARIS taz ■ Knapp zwei Monate hat es gedauert, bis der Provinzpolitiker Jean-Pierre Raffarin den Knüppel aus dem Sack gezogen hat. Jetzt ist es so weit. In dieser Woche bewilligte seine Regierung zwei Pakete zur Verstärkung der Schlagkraft von Justiz und Polizei. Neben deutlich mehr finanziellen und personellen Mitteln ist vorgesehen, jugendliche Delinquenten verstärkt zu kriminalisieren. Künftig droht Wiederholungstätern in Frankreich bereits im Alter von 13 Jahren Gefängnis. Kindern zwischen 10 und 13 Jahren drohen „erzieherische Sanktionen“.

Innenminister Nicolas Sarkozy soll in den nächsten fünf Jahren 5,6 Milliarden Euro zusätzlich für Polizei und Gendarmerie bekommen. 13.500 neue Polizisten sollen das Polizeikorps – schon heute das zweitstärkste im EU-Vergleich – weiter aufstocken. Ein großer Teil von ihnen wird im „Nahbereich“ arbeiten, den „heißen“ und angeblich „rechtlosen“ Vorstädten. Zugleich werden die verschiedenen Polizeikräfte zum Zwecke der Verbesserung ihrer Schlagkraft in „Regionalen Einsatztruppen“ (GIR) organisiert. Auf der institutionellen Ebene soll der neue und vom Staatspräsidenten persönlich geleitete „Nationale Sicherheitsrat“ die Kräfte bündeln.

Weitere polizeiliche Maßnahmen sind für den Herbst angekündigt. Da will Sarkozy unter anderem die Erfassungstechniken der Polizei (genetische Fingerabdrücke, Waffenscheine) verbessern sowie sein repressives Instrumentarium aufstocken. Unter anderem möchte er ausländische Prostituierte, Bettler, Dealer und andere „störende Elemente“ systematisch „an die Grenze begleiten“ und Eltern von notorischen Schulschwänzern bestrafen. Er denkt auch bereits laut über die Einführung einer Schnelljustiz zur Abschiebung von illegalen Einwanderern am Flughafen Charles de Gaulle nach.

Justizminister Dominique Perben hat mit seiner Reform vor allem jugendliche Wiederholungstäter im Visier. Sie sollen künftig ab 13 Jahren in „Geschlossene Erziehungszentren“ eingewiesen werden können. Wenn sie dort Fluchtversuche unternehmen, droht ihnen Gefängnis. Für Kinder ab zehn Jahren sieht die Justizreform unter anderem vor, dass sie Aufenthaltsverbote für gewissen Zonen, beispielsweise Einkaufszentren, erhalten sollen. Justizminister Perben bekommt für seine Reform zusätzlich 3,65 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre. Er will unter anderem 3.300 Laienrichter einstellen, die sich um die „Regelung alltäglicher Konflikte“ kümmern sollen. Zu den Kompetenzen der Laienrichter soll auch die Bestrafung von Kindern und Jugendlichen, darunter die Unterbringung in den geschlossenen Zentren, gehören.

Die beiden „Reformen“ sind die Umsetzung des Hauptwahlkampfthemas der französischen Rechten – der Kampf gegen die „Unsicherheit“ – in die Realpolitik. Die beiden Pakete sind getreu einer Vorgabe von Premierminister Raffarin „im Galopp“ geschrieben worden. Für eine Konsultation mit den Fachleuten der Branche blieb keine Zeit. Bis Anfang August müssen die beiden Kammern des Parlamentes darüber befinden. Angesichts der überwältigenden rechten Mehrheit dürfte dem Inkrafttreten der Gesetze noch in diesem Herbst nichts im Wege stehen.

Zahlreiche Experten – darunter auch die dem Premierminister angegliederte unabhängige Kommission für Menschenrechte (CNCDH) – sind entsetzt über die Vorhaben der Regierung. Philippe Chaillou, oberster Jugendrichter in Paris, erklärte in in der Zeitung Le Monde, Frankreich wolle „Großbritannien kopieren, wo die Inhaftierung von 3.500 Jugendlichen keineswegs den Prozess der Zunahme der städtischen Delinquenz aufgehalten hat“. DOROTHEA HAHN