Kämpfende Frisöre

Am Ende der Flucht: Eine Lesung erinnert an den 30. Todestag des spanischen Schriftstellers Max Aub

Zum Weltbürger wurde Max Aub gezwungenermaßen. Sein Leben war gezeichnet von Flucht und Vertreibung, Suche und Entwurzelung. Nach 33 Jahren starb er im mexikanischen Exil – ohne zu erleben, dass seine Literatur in Spanien nach dem Sturz des Franco-Regimes wieder entdeckt wurde. Sein bekanntestes Werk ist der Romanzyklus „Das magische Labyrinth“, ein monumentales Werk von rund 3.000 Seiten über den spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1942. Gerade ist mit „Am Ende der Flucht“ der vorletzte Band in deutscher Übersetzung erschienen.

1903 als Sohn eines Münchener Handelsvertreters und einer Französin geboren, verbringt Max Aub seine Kindheit in Paris. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs lernt der junge Aub zum ersten Mal die hässliche Fratze seiner Zeit kennen: Sein Vater wird als Deutscher zur unerwünschten Person. Die guten Geschäftsbeziehungen des Kaufmanns lassen die Familie eine neue Existenz in Spanien finden. Max Aub lernt Deutsch und Französisch, dann Spanisch, die Sprache seiner Bücher. Nach dem Abitur versucht er sich als Vertreter. Auf seinen beruflichen Reisen findet er zur literarischen Bohème in Barcelona und Madrid: Aub fängt an zu schreiben, veröffentlicht bereits mit 19 Jahren experimentelle Theaterstücke und Prosa. Er wird spanischer Staatsbürger und heiratet 23-jährig Barjau Martín, mit der er drei Töchter hat und sein restliches Leben verbringt. Er übernimmt das Geschäft des Vaters, wird Mitglied der Sozialistischen Partei und begrüßt 1931 den Sieg der Republik über die vorangegangene Militärdiktatur.

Als Schriftsteller, Theatermacher und Publizist prägt Max Aub die kulturelle Identität Spaniens und gerät fünf Jahre später in die Mühlen des Bürgerkriegs. Der Putsch unter Francisco Franco spaltet das Land. Aub stellt sich in den Dienst der bedrohten Demokratie und übernimmt die Rolle des Kulturattachés an der spanischen Botschaft in Paris. Zurück in Spanien dreht er einen Antikriegsfilm und verfasst unter dem Einfluss filmischer Arbeitstechniken den Roman „Am Ende der Flucht“.

In der Vorbemerkung schreibt Aub: „Ereignisse wie Szenen sind authentisch, und ich glaube, dies sind die ersten in dieser Technik aufgeschriebenen Erinnerungen.“ Die Erfahrungen mit dem Medium Kino befruchten Aubs literarische Arbeit. Grauen und Groteske treffen durch moderne Schnitt- und Montageverfahren aufeinander, in einem Verwirrspiel, das sich auf scheinbar banale Ereignisse konzentriert und von dort zu den großen Gefühlen gelangt: Entsetzen, Trauer und Schmerz in Zeiten des Krieges.

Nach Art von Filmsequenzen erzählt Aub, ein Grenzgänger zwischen Surrealismus, Futurismus und Dada, die Geschichte von Jules, der unschuldig in Paris verhaftet und in Konzentrationslager interniert wird. Die Polizei hat ihn mit seinem Bruder verwechselt, der bei den internationalen Brigaden in Spanien kämpft. Autobiografisches Material ist nicht zu übersehen: Nachdem Francos Faschisten in Spanien gesiegt haben, musste Aub nach Frankreich fliehen und landete schließlich, als Kommunist denunziert, in französischen und algerischen Internierungslagern. Mexiko-Stadt wurde später der Ort seines Exils.

Am heutigen Tag jährt sich zum 30. Mal der Tod des Schriftstellers Max Aub. Der Eichborn-Verlag erinnert daran mit einer Lesung von Auszügen aus dem „Magischen Labyrinth“ – darunter auch bizarrere Stellen wie zum Beispiel „Das Batallion der 400 Frisöre (das Madrid verteidigte)“. OLIVER RUF

Heute, 20 Uhr, Verlagshaus Eichborn, Oranienburger Straße 4–5