Pim Fortuyns Grab wird zu einer Pilgerstätte

Der niederländische Rechtspopulist wurde am Wochenende in Italien zum zweiten Mal beerdigt – mit Exklusivvertrag für einen Privatsender

VENLO taz ■ „The show is over, Pim, der Vorhang fällt.“ Marten, der ältere Bruder des am 6. Mai ermordeten rechtspopulistischen Politikers Pim Fortuyn, bedankt sich bei Angehörigen und Freunden, die zur Bestattung des am Vortag in Holland exhumierten Leichnams nach Provesano gekommen sind. Und bei den Millionen Trauerlustigen daheim, die schon am Freitag abend live im TV miterleben könnten, wie der „Messias von Rotterdam“ seine definitiv letzte Reise antrat.

Die geladenen Gäste, darunter nicht einer der von Pim Fortuyn begründeten, bei den Wahlen von 15. Mai siegreichen LPF, verabschieden sich an diesem Samstagabend auf dem Friedhof der norditalienischen Wahlheimat Fortuyns ein zweites Mal von dem Mann, den nichts so sehr schreckte als die Vorstellung, in einer einfachen Holzkiste verbuddelt zu werden. Es musste schon eine überirdische Gruft sein, ein vier mal viereinhalb Meter großes Monument, 32.000 Kilo schwer. Ein Kran versenkt die weiße Kiste in den Sarkophag aus makellos weißem Marmor, eigens von einem in Provesano ansässigen Künstler angefertigt.

In der Bar da Eddy, der einzigen Kneipe des 400-Seelen-Kaffs, rollt unterdessen der Rubel: Eddy und seine Frau kümmern sich um das leibliche Wohl der Fernsehleute aus aller Welt und der Handvoll kurzbehoster Pilger aus Holland, die beim Wirt T-Shirts mit dem Konterfei ihres Idols oder der Dorfkirche von Provesano erstehen. Auch Postkarten mit der Wohnung Fortuyns hat Eddy im Angebot.

Den Bürgermeister freut die Geschäftigkeit in seinem Nest: „Ab heute steht Provesano auf der Landkarte, ich denke, es werden noch viele Olandesi das Grab besuchen“, sagt Sergio Covre der Reporterin von SBS6, dem Sender mit dem Exklusivvertrag. Weniger freuen dürfte Covre indes der Anblick italienischer Skinheads auf der Piazza, die ihr eigenes Bier mitgebracht haben, um dem zu Lebzeiten als „holländischen Haider“ titulierten Rechtspopulisten zu huldigen.

Schon am Vortag hatte SBS6 live von der Exhumierung in Holland berichtet. Eine Auferstehung in engstem Familienkreis wäre nicht Pims Stil gewesen, mag sich Marten Fortuyn gedacht haben und garantierte SBS6 zur Primetime ein Millionenpublikum.

Ein Hauch von Arlington umweht die Zeremonie auf dem Friedhof von Driehuis, dem Geburtsort Fortuyns, der sich gerne mit Kennedy verglich. Nur die trauernde Witwe fehlt. Die Zeremonie am Grab ist schlicht, aber die Regie garantiert, dass kein Detail im Verborgenen bleibt. Im Studio analysiert ein Kommunikationsprofessor die Inszenierung als „adäquates Ende eines Mannes, der sich zu Lebzeiten wie kein anderer exhibitionierte und dabei viele Menschen anrührte“.

Ein kleiner Bagger legt derweil die Gruft frei, der Deckel wird beiseite geschoben, Männer legen den gut erhaltenen Sarg in einen weißen Leichenwagen, der anschließend zum Rotterdamer Flughafen fährt. Dort hält die Familie in einem zum Mortuarium umgestalteten Hangar bis zum Abflug am nächsten Tag Totenwache.

150.000 Niederländer waren in den letzten Wochen zum Grab Fortuyns gepilgert. Mit Blumen, Gedichten, Kuschelbärchen, Keksen, Hunden aus weißem Porzellan. Überwiegend Frauen wollten in der Nähe des Mannes sein, „der dem Volk gehörte“, der sich „auszusprechen traute, was wir alle denken“. Ihnen bleibt nach diesem Wochenende eine mit Reliquien gefüllte Gruft. Darauf eine Marmorplatte mit dem Modell des Sarkophags von Provesano. Und ein Stein mit der Inschrift: „Unser Wortführer wurde ermordet, aber die Stimme des Volkes sicher nicht.“

HENK RAIJER