Weitreichender „Irrtum“ beim Patentamt

Verhandlung über Generalpatent auf Embryonen und ihre gentechnische Veränderung. Greenpeace: Nur Spitze des Eisbergs

BERLIN taz ■ Dürfen menschliche Embryonen patentiert werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit gestern die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts (EPA) in München. Die Patentschützer entscheiden über die Rechtmäßigkeit eines im Dezember 1999 vergebenen Patentes an die Universität Edinburgh, mit dem unter anderem auch die Züchtung von gentechnisch manipulierten Embryonen unter Verwertungsschutz gestellt wurde. Die Entscheidung darüber, ob das Edinburgh-Patent aufrechterhalten wird, ist nicht vor Ende der Woche zu erwarten.

Insgesamt 14 Einsprüche gegen das Patent mit der Registriernummer EP 0695351 liegen dem EPA vor. Das Edinburgh-Patent, das im Februar 2000 erst von der Umweltschutzorganisation Greenpeace öffentlich bekannt gemacht wurde, hatte eine weltweite Protestwelle hervorgerufen. Mit dem Edinburgh-Patent hatte das EPA erstmals auch die gentechnische Manipulation der menschlichen Keimbahnzellen unter Verwertungsschutz gestellt. Laut Patentschrift sind die Entnahme „tierischer Zellen“ aus Embryonen, deren gentechnische Manipulation und die „Züchtung“ gentechnisch veränderter Lebewesen aus diesen Zellen geschützt.

Ausdrücklich weist die Universität Edinburgh in ihrem Antrag darauf hin, dass ihr Patentanspruch auch den Menschen mit einschließt. Wörtlich heißt es, dass „der Begriff ‚tierische Zelle‘ alle Zellen von Tieren, insbesondere von Säugetieren, einschließlich des Menschen, bedeutet“.

Das Ganze sei ein „Irrtum“, lenkte seinerseits das EPA entschuldigend ein. Die Patentprüfer hätten übersehen, dass der Begriff „Tiere“ patentrechtlich auch den Menschen einschließe. Auch die Universität Edinburgh, die bereits einen Lizenzvertrag mit dem australischen Unternehmen Stem Cell Sciences abgeschlossen hatte, räumte aufgrund der Proteste ein, dass niemals die Absicht bestanden habe, genmanipulierte Menschen zu züchten. Das patentierte Verfahren sollte ausschließlich zur Herstellung von Stammzellen eingesetzt werden. Die Universität Edinburgh hatte daraufhin auch selbst eine Beschränkung des Patents beim EPA beantragt. Die Züchtung von genmanipulierten Menschen, die auch nach der europäischen Biopatentrichtlinie nicht patentfähig ist, soll aus dem Antrag gestrichen werden.

Für das Europäische Patentamt ist es eine nicht gerade alltägliche Situation, denn neben Greenpeace, den Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS haben auch mehrere europäische Regierungen die Zurücknahme des Embryonenpatents beim EPA beantragt. Sowohl die italienische als auch die niederländische Regierung gehören zu den Gegnern des Patents. Und für die Bundesrepublik Deutschland hat das Justizministerium die Einwendung formuliert. Unter anderem berufen sie sich auf Artikel 53a des Europäischen Patentübereinkommens, der die Patentierung von Erfindungen ausschließt, die gegen die „guten Sitten oder die „öffentliche Ordnung“ verstoßen würden.

Für den Patentexperten von Greenpeace, Christoph Then, ist das Edinburgh-Patent jedoch nur die „Spitze eines Eisbergs“. Er fordert ein grundsätzliches Verbot von „Patenten auf Lebewesen, ihre Gene und Teile des menschlichen Körpers“. Die umstrittene europäische Biopatentrichtlinie, deren Umsetzung in ein nationales Gesetz die Bundesregierung vor kurzem erst nach internen Streitigkeiten auf die nächste Legislaturperiode verschob, erlaubt bisher die Patentierung von Pflanzen, Tieren und auch Genen und Körperteilen des Menschen. Selbst Patente auf menschliche Embryonen, so Greenpeace, „verhindert sie nur zum Teil“. Die Umweltorganisation fordert deshalb ein vollständige Überarbeitung der Richtlinie. WOLFGANG LÖHR