nachstudiert
: „Graduate School“ jetzt auch in Bremen

Mit der GSSS zum PhD

Wer sich den Otto-Normal-Studenten in zwanzig Jahren als „Diplomsoziologen“ oder „Doktor rer.pol.“ vorstellt, verwirrt Sie vielleicht ebenso wie jemand, der heute Entfernungen in Ellen misst und sein Gewicht in Unzen.

Denn auch in Deutschland zeichnet sich ein Trend ab, Studienabschlüsse international zu vereinheitlichen – nach US-amerikanischem Vorbild. Einen Schritt in diese Richtung macht die Bremer „Graduate School of Social Sciences“ (GSSS), die unter dem Dach der Uni Bremen zum kommenden Wintersemester ihre Tore öffnet. Dann beginnen 15 Sozial- und Politikwissenschaftler aus aller Welt an der GSSS, ihre Dissertation auf den Gebieten „Transnationale Beziehungen“ und „Politische Theorie“, „Wohlfahrtsstaat“ oder „Lebenslaufforschung“ zu schreiben.

Zwar wird die Promotion weiterhin drei Jahre dauern und von Bremer ProfessorInnen betreut. Doch die AbsolventInnen werden sich nicht mit dem herkömmlichen Doktortitel schmücken, sondern mit seinem amerikanischen Pendant, dem Ph.D. Die Abkürzung bedeutet „Philosophical Dissertation“ und ist laut GSSS-Geschäftsführer Werner Dressel „noch etwas anspruchsvoller“. Auch sollen die ProfessorInnen der neuen Graduiertenschule ihre Schützlinge nicht beiläufig neben Forschung und Lehre begleiten. „Mit einem eigenen Gebäude samt Bibliothek und Verwaltung wird die Betreuung effektiver als bei einer normaler Promotion“, hofft Dressel.

Dozenten aus drei Bremer sozialwissenschaftlichen Instituten werden im ersten Semester unterrichten, darunter auch drei Juniorprofessoren. Ein Austausch mit anderen Graduate Schools in Harvard oder auch London ist geplant. „Doch im ersten Semester wollen wir erst den Laden ins Laufen kriegen“, sagt Dressel.

Das haben die Partneruniversitäten in Großbritannien, Skandinavien und den USA nicht mehr nötig. Dafür verlangt die GSSS im Gegensatz zu den meist privaten ausländischen „Graduate Schools“ keine Studiengebühren. Sie vergibt Stipendien, jeder Promovent wird einen eigenen Arbeitsplatz haben. „Solche Bedingungen kann man in Europa mit der Lupe suchen“, verspricht Dressel.

Möglich macht‘s die Volkswagen-Stiftung, die 1,8 Millionen Euro Starthilfe zahlt. Nach spätestens sechs Jahren wird die GSSS allerdings auf Finanzspritzen verzichten müssen.

Dressel sieht das Projekt als „Speerspitze eines Strukturwandels“, der zum Ende der traditionellen deutschen Ausbildungswege führe. Nicht nur der Doktor hieße dann Ph.D., auch das Diplom würde zum Master.

Die Kritik der Akademiker am amerikanischen Modell ist nicht allzu laut: Ein Großteil des Bremer soziologischen und politikwissenschaftlichen Lehrpersonals ist ohnehin an der GSSS beteiligt. Anders Lothar Peter, Professor für Soziologie an der Uni Bremen: “Ich bin eigentlich gegen amerikanische Abschlüsse. Die Einführung der GSSS ist aber rational, denn dieses System wird sich durchsetzen.“ Eine reine Elitenförderung befürchtet er nicht – schließlich hätten französische Elite-Unis Gesellschaftskritiker wie Pierre Bourdieu herangezogen. Sebastian Kretz