Mit Geschick und Badehose

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Rudolf Scharping ein Zeugnis ausgestellt

Hat Scharping nicht mit seinem PR-Berater Moritz Hunzinger über das Zeugnis gesprochen?

Rudolf Scharping wird nicht nur mit großem Zapfenstreich aus seinem Amt verabschiedet. Wie jeder Arbeitnehmer hat auch er Anspruch auf ein Zeugnis, das seine Leistungen bescheinigt und bewertet. Die Tinte auf diesem Dokument war gewissermaßen noch nicht trocken, als der ehemalige Verteidigungsminister es auch schon voller Stolz herumzeigte und Kopien an die Medien versandte – offenbar in dem Bestreben, seinen etwas ramponierten Ruf wiederherzustellen.

Wie so vieles zuvor hätte Scharping auch dies besser nicht getan. Von einem guten oder gar glänzenden Zeugnis kann nämlich kaum die Rede sein. Die ersten beiden Sätze sind noch recht neutral gehalten: „Herr Rudolf Scharping war vom 12. Oktober 1998 bis 19. Juli 2002 in unserem Hause als Bundesminister der Verteidigung beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte die Führung der Bundeswehr, die Aufrechterhaltung der Moral der Truppe sowie die Vorbereitung und Durchführung des ersten Angriffskrieges der Bundesrepublik Deutschland“, heißt es in dem von Gerhard Schröder unterzeichneten Papier, das der taz vorliegt. Bereits im nächsten Absatz wird jedoch deutlich, wie gering der Bundeskanzler die Leistungen seines Exministers schätzt: „Wir haben Herrn Scharping als einen Mitarbeiter kennen gelernt, der seine ihm übertragenen Aufgaben übernahm und unter Anleitung im Allgemeinen ausführte. Den normalen Anforderungen war er gewachsen“, heißt es. Unter Arbeitgebern ist bekannt, wie man eine solche Beurteilung interpretieren muss. „Der Mann ist eine Lusche“, steht hier deutlich zwischen den Zeilen, „wenn man nicht ständig auf ihn aufpasst und ihn kontrolliert, richtet er nur Schaden an.“ Scharping indes scheint dies nicht aufgefallen zu sein – vielleicht, weil er sich zu sehr auf das folgende, vermeintliche Lob konzentrierte: „Im Besonderen verdankt ihm die Regierung die Erstellung eines Hufeisenplans im Kosovokrieg.“

Auch die nächste Passage hebt kaum Scharpings Tüchtigkeit hervor. „Durch seine Arbeitsweise erbrachte Herr Scharping eine zufrieden stellende Leistung. Er zeigte mitunter Fleiß und bemühte sich um Sorgfalt sowie darum, seine Mitarbeiter zu motivieren und von ihnen geschätzt zu werden“ – Scharping unterliegt dem Irrglauben, an dieser Stelle gute Noten für seinen Führungsstil erhalten zu haben. Das Gegenteil ist der Fall, und irgendjemand wird ihm auch sagen müssen, dass sich der Satz „Im Allgemeinen nahm er im Kollegenkreis am Geschehen teil“ nicht auf die zeitweilige Abwesenheit des Verteidigungsministers anlässlich von Truppenbesuchen im Ausland bezieht. „Im Allgemeinen“ kann man getrost durch „Ab und an“ ersetzen, und hätte Scharping dies getan, so wäre er in seinem Überschwang vielleicht gebremst worden.

Ein wenig verwunderlich ist also schon, wie sehr sich Scharping nun freut. Hat er nicht mit Moritz Hunzinger gesprochen, seine Lebensgefährtin nicht informiert? Als Spenden- und Scheidungsanwältin ist Kristina Gräfin Pilati-Borggreve sicherlich nicht mit allen Finessen im Arbeitsrecht vertraut. Dennoch sollte jeden Anwalt eine Bemerkung wie diese stutzig machen: „Wir bescheinigen Herrn Scharping, dass er über Umgangsformen verfügte. Bei seinen Auftritten in der Öffentlichkeit zeigte Herr Scharping mitunter Geschick und seine Badehose“ – so etwas gehört auf keinen Fall in ein Arbeitszeugnis und kann jederzeit angefochten werden. Allerdings kann es dann schon zu spät sein. Sollte Scharping tatsächlich noch bemerken, wie sinnlos es wäre, sich mit diesem Zeugnis auf eine neue Stelle zu bewerben – an der revidierten Fassung wird die Öffentlichkeit nicht mehr interessiert sein. CAROLA RÖNNEBURG