Zukunft Kleinschule

Sachsens Verfassungsrichter erlauben Volksbegehren zur Rettung von Zwergschulen. Blockade der CDU gescheitert

DRESDEN taz ■ Ein Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtes könnte weitreichende Folgen für die Schulplanung des Freistaates und zugleich Signalwirkung für ganz Deutschland haben. Das Gericht erlaubt es der Bürgerinitiative „Zukunft braucht Schule“, in Sachsen ein Plebiszit zum Erhalt von Schulen abzuhalten. Ziel ist es, die „Schulen im Dorf“ zu bewahren und den Unterricht zu verbessern. Die regierende CDU hatte versucht, die Initiative zu unterdrücken.

Das Urteil trifft den ländlichen Raum in ganz Ostdeutschland am Lebensnerv. Infolge des drastischen Geburtenrückgangs nach der Wiedervereinigung sind dort tausende kleiner Schulen gefährdet. In Sachsen droht beispielsweise einem Drittel der 600 Mittelschulen die Schließung. Die Bürgerintiative will nun erreichen, dass kleinere Schulklassen sowie jahrgangsübergreifender Unterricht und die Zusammenarbeit in Schulverbünden erlaubt sind.

Die CDU hatte sich strikt gegen den Volksantrag gewandt. Die Landtagsmehrheit lehnte ihn ab. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) bezweifelte zudem die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens, weil es Mehrkosten von etwa 215 Millionen Euro verursache.

Das Verfassungsgericht verneinte diese Bedenken. Gesetze des Parlamentes und die Volksgesetzgebung stünden gleichberechtigt nebeneinander. Eingeschränkt werde die Volksgesetzgebung nur, wenn der Landtag nicht mehr in der Lage sei, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Damit ist der Weg frei für die Einleitung eines Volksbegehrens, für dessen Erfolg in Sachsen 450.000 Unterschriften nötig sind.

Die Oppositionsparteien SPD und PDS äußerten Genugtuung über die „Ohrfeige“ für die Staatsregierung. Die PDS forderte zugleich den Verzicht auf geplante Kürzungen von 75 Millionen Euro im Kultusetat. Überrascht zeigte sich CDU-Schulpolitiker Thomas Colditz. Die Verfassungsgerichte hätten bundesweit in vergleichbaren Fällen stets anders entschieden.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist landespolitisch auch deshalb von Bedeutung, weil das Kultusministerium den kommunalen Schulträgern bereits eine Frist bis zum 1. August gesetzt hatte, ihre Schulplanung abzuschließen. Andernfalls drohe der „Entzug der Mitwirkung“ – was nichts anderes als das Aushungern vermeintlich uneffektiver Schulstandorte bedeutet hätte. MICHAEL BARTSCH